Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
26.06.1916
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
26.6.1916

Während der Inspektion lese ich die letzten Forderungen Falkenhayns. Ich habe sie schon ziemlich zutreffend vorgemerkt. Die der Heeresgruppe Linsingen zu entnehmenden Teile, im Verein mit den angriffskräftigen Verbänden der Südarmee und möglichst auch der 2. und 7. Armee sollen zu einem Stoß aus der Front der Südarmee eingesetzt werden, mit dem Ziel die Verbindungen der russischen Bukowina Gruppe zu treffen. Unser Oberkommando verpflichtet sich, zu Gunsten der Kräftigung und Sicherung der Ostfront südlich des Pripjet, die defensiven Maßnahmen an der italienischen Front soweit zu beschränken und zu verkürzen, wie es das Lebensinteresse der Monarchie irgendwie zulässt. Unsere Antwort besagt: Die künftige Operation in Galizien sei in Vorbereitung. Von der 2. Armee dürften kaum Kräfte für den Angriff frei werden. Der Angriffsraum wird noch nach der Entwicklung der Lage zu bestimmen sein, Möglicherweise ist ein Stoß zwischen Dnjestr und Pruth wirksamer als nördlich des Dnjestr. „Die Verkürzung der italienischen Front ist in Durchführung. Gegenangriff der Italiener steht unmittelbar bevor. Von seinem Verlauf werden unsere weiteren Maßnahmen abhängen. Dabei muss ich stets im Auge behalten, dass eine gelungene Offensive des Feindes über die Isonzofront sehr bald den Lebensnerv der Monarchie treffen würde und dass in diesem Falle der Krieg für unsere beiden Reiche verloren wäre." - Lese 2 Befehle, von denen der eine wieder Energie einimpfen will, indem er von Feldzugsentscheidung und Sieg des Vaterlandes spricht, der andere ganz unrichtige Direktiven für die Abwehr russischer Angriffe gibt; unrichtig namentlich wegen der Artillerieverwendung.

Nach den Mittagsmeldungen: Bei der 11. Armee gelang es dank der getroffenen Verschleierungsmaßnahme und der besonders geschickten Durchführung seitens der Korps, die neue Widerstandslinie völlig unbemerkt und ungestört vom Feind zu erreichen. Um diese Täuschung möglichst lange aufrecht zu erhalten, blieben Patrouillen und Detachements in regster Fühlung mit dem Gegner belassen. Feind ist bisher nirgends aus seinen alten Stellungen vorgegangen, ausgenommen im Asticotal, wo stärkere feindliche Detachements heute die Posina überschritten. Bei der 3. Armee folgte der Feind so ziemlich an der ganzen Front; aber auch hier erreichten unsere Nachhuten überall programmgemäß die neuen Stellungen, ebenso wurden alle Sprengungen programmgemäß durchgeführt. - Heute müssen wir den Rückzug im Communiqué zugeben. Ich wähle die Fassung: „Zur Wahrung unserer vollen Freiheit des Handelns wurde unsere Front zwischen Brenta und Etsch stellenweise verkürzt. Dies vollzog sich unbemerkt, ungestört und ohne Verluste." Durch diese Fassung soll die Unklarheit, was geschieht und geschehen wird, möglichst aufrecht erhalten werden. Mittags teile ich dieses Communiqué Wiesner mit, der ein sehr besorgtes Gesicht. machte; Rumänien, meint er, stehe an der Scheide. Nachmittags große Aufregung wegen eines Telegrammes Slameczkas, der in Wien beim Ministerrat ist und telegraphierte, dass die Minister detaillierte Angaben über die Stärkeverhältnisse auf allen Kriegsschauplätzen verlangen. Tisza will demissionieren, wenn er nicht ausreichend orientiert wird. Hier darüber große, aber sehr unvernünftige Aufregung; denn der Mann hat Recht, sich mit dem Nichts das er jetzt erfährt, nicht zu begnügen.

Heute wurde Befehl zur Verschiebung der 9.ITD von der Heeresgruppe zur 5. Armee hinaus gegeben; dieser Befehl enthält den Satz, dass die 5. Armee auf weitere Verstärkungen erst im Falle einer Isonzooffensive zu rechnen hat. -

Nach 10 Uhr abends telegraphiert Nikolai, der deutsche Nachrichtenchef, im Auftrag Falkenhayns, man möge auf das heute von der Radiostation Cottono verbreitete Siegesbulletin der Italiener sogleich antworten; große Sorge wegen Rumänien. Kurze Antwort geht noch nachts hinaus.

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