Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
22.07.1916
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
22.7.1916

Heute erst, am Westbahnhof, komme ich dazu, fortzusetzen. Gestern noch ein ziemlich aufregender Abend. Der Angriff von angeblich 10 italienischen Bataillonen auf Cavallazza und Colbricon ist durchgedrungen; unsere dortige Besatzung (übrigens nur 1 ½ Jäger Kompagnien) gefallen oder gefangen genommen, 8 MG., 2 Geschütze verloren. Einzelheiten fehlen noch, da Verbindungen unterbrochen. Dies ist der erste Fall im ganzen Krieg, dass die Italiener mehrere Höhenstellungen gleich im ersten Ansturm nehmen konnten. Aus diesem Grund und auch wegen Gefährlichkeit der Richtung ist die Sache äußerst unangenehm. HGK. hat nun endlich, aber sehr spät, größere Gegenmaßnahmen getroffen: Die 9. Gebirgsbrigade der 57.ITD. wird mit dem Divisionär (Goiginger) von Nomi mit Bahn und Auto nach Predazzo dirigiert, wo sie heute eintreffen soll. Uns ist dies aber nicht genug; jetzt ist dieser Raum durch den gegnerischen Angriff vorübergehend der wichtigste der ganzen Südwestfront geworden; also was möglich ist, muss daher fahren. Gestern abends legte ich noch ein Konzept vor, dass das IR 102 (der 9.ITD.), das heute früh zur 5. Armee hätte abgehen sollen, nun nach Tirol fährt So haben wir vorläufig 5 + 3 = 8 Bataillone in den bedrohten Raum gesandt; überdies besprach ich es noch mit Kless, dass eventuell noch eine Landsturm Brigade der 5. Armee zu senden wäre. Jetzt empfiehlt sich dies nicht, weil gestern früh - das habe ich nachzutragen - die 106.ITD (Ziel wahrscheinlich Hindenburg-Front) abzusenden war. Bei meiner Abmeldung sprach Conrad längere Zeit mit mir. Er war gestern bei der Audienz. Die letzten Wochen haben ihn wohl seelisch außerordentlich beansprucht; er sieht auch schlechter aus, ist aber trotzdem sehr frisch und von einer bewunderungswürdigen, heiteren Freundlichkeit. Mir sagte er, es komme ihm hauptsächlich darauf an, zu wissen, mit welchen minimalen Kräften unsere Front in Tirol gehalten werden könne. Der Rock wird uns überall zu kurz; wir müssen also trachten, aus Tirol so viel freizubekommen, als nur irgend möglich. Das Halten der Front muss aber auch unbedingt gesichert sein, unten dürfe nichts geschehen. Chef lässt sich über die Fleimstalfront eingehend berichten; er meint, die Sache sei recht böse. Wie ich weiß, hat er ja schon in seinen Friedensstudien der Richtung des Rollepasses besondere Bedeutung beigemessen. - sonst noch nachzutragen. 10. Armee hat um Verstärkung geschrien. Bei Rohr war dies nie der Fall. Natürlich muss in der Antwort deutlich gesagt werden, dass das AOK. die Lage an allen Fronten unausgesetzt im Auge behält, sich aber gegenwärtig nicht veranlasst sieht, die 10.Armee zu verstärken, da das Verhältnis ihrer Kraft zu jener des Feindes, nach den Erfahrungen des italienischen Krieges gemessen, nicht ungünstig ist und für einen gleichzeitigen Angriff (den das AK. erwähnt) kein Anzeichen vorliegt. - Gestern 11 Uhr nachts weggefahren; heute ½ 12 an Wels; einen Tag bei Mietzchen …… (und eine Nacht!)

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