Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
25.08.1916
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
25.8.1916

Laut Morgenblatt dauern die Angriffe der Opposition, speziell gegen die italienische Sache fort. Auch der Armeebefehl vom 23.Juni wird angegriffen. Auch Kless ist der Auffassung, es sei über das Ziel geschossen worden. Nachträglich ist es natürlich leicht, dies zu behaupten. Ich bin übrigens der Auffassung, dass es - gerade mit Rücksicht auf alle politischen Strömungen bei uns und in Deutschland, die der südwestlichen Grenze nicht genug Bedeutung beimessen - sehr gut ist, dass jener Satz von der „Grenze, deren die Monarchie zu ihrer Sicherheit bedarf“ im Befehl stand.

Nach Vormittagsmeldung der 5. Armee gestern stärkerer Feuerüberfall gegen das Frontstück zwischen Wippach und Nova Vas; gleichzeitiges Vorsehen von Aufklärungsabteilungen, die abgewiesen wurden. An der Tiroler Front gelang es den Italienern, auf dem M.Piano einen Käiserjägerzug aus einer Vorstellung zu verdrängen. Die Meldung ist so unklar, der Raum so wichtig, dass wieder eine Aufklärung abgefordert werden muss. Als ob das Schicksal sein Urteil spräche über die Kommandoübernahme Pichlers der dort Goiginger verdrängte.

Mittags teilt mir Wiesner mit, der Papst habe uns vertraulichst verständigt, dass eine mit formidablen Kräften einsetzende Offensive der Italiener über Görz und Monfalcone hinaus auf Triest unmittelbar bevorstehe. Von einer Mitwirkung feindlicher Seestreitkräfte ist nichts erwähnt. Der Heilige Vater hat ernste Besorgnisse (natürlich für uns). Bei der letzten Offensive ist auch eine solche Verständigung tags vorher gekommen, die Sache kann also als ganz sicher gelten, wurde übrigens von uns Tag für Tag erwartet. Tue noch mein Möglichstes, um Munition und Artillerie zusammenzukratzen; wir werden nun doch 7 – 30,5 cm Batterien haben. - Die Mitteilung des Papstes wird 5. AK. und auch dem Flottenkommando bekanntgegeben, letzterem mit dem Auftrage, sich über Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit der Mitwirkung einer feindlichen Flotte zu äußern.

Das unlängst nach Wien gegangene Telegramm betraf tatsächlich den deutschen Oberbefehl. Der Deutsche Kaiser soll die Oberste Kriegsleitung über alle Streitkräfte der 4 V

verbündeten Staaten übernehmen. - Heute mittags höre ich, dass Hindenburg den Vorschlag gemacht hat, unter Verstärkung durch 6 neue Divisionen und Zusammenziehung aller verfügbar zu machenden Kräfte, aus dem Raum von Lemberg gegen die Bukowina offensiv zu werden.

Nachmittags bringt mir Wiesner eine Mitteilung des Vertreters des Ministeriums des Äußeren über eine neuerliche, sehr eindringliche Nachricht des Nuntius, betreffend die „mit allen verfügbaren Machtmitteln“ bevorstehende Offensive der Italiener. Diese Nachricht soll aus der verlässlichsten Quelle stammen. - In der Tat scheint sich ein großes Gewitter gegen den südlichen Flügel der 5. Armee zusammenzuziehen, das in einigen Tagen losbrechen muss. Es fragt sich nun, was zu machen ist. Von der Südwest Front können wir noch die 13.GBrig. heran führen. Das Heeresgruppenkommando wird aufmerksam gemacht, dass das AOK voraussichtlich bald auf diese Brigade wird greifen müssen und dass es daher an der Zeit ist, für eine neue Reserve in Tirol vorzusorgen. Weiters denke ich an 1 - 2 Bataillone aus Kärnten. Das ist aber auch alles. Das andere muss von anderen Fronten kommen; denn ich habe das Gefühl, dass es sich jetzt wirklich um eine große Entscheidung handeln wird.

Spreche auch in diesem Sinne abends mit Metzger, der aber angeblich nichts hat. Äußerstenfalles denkt er an eine Brigade der 61.ITD, von der er sich aber nicht viel verspricht. -

Nach Abendmeldung der 5 Armee schwoll das feindliche Feuer im Raum von Oppachiasella zeitweise zu größerer Lebhaftigkeit an. Äußerst rege feindliche Fliegertätigkeit, wobei die Apparate sehr tief herunter gehen; speziell über dem Plateau von Comen. Auch bei der Heeresgruppe sind die italienischen Flieger und zwar an der ganzen Front sehr tätig.

Wie ich höre, sind die Verhandlungen und Vorbereitungen wegen der polnischen Armee plötzlich eingestellt worden, und zwar über Befehl des Deutschen Kaisers, der - mit Russland verhandelt. Da Bethmann selbst die polnische Sache eifrig betrieb und schon alles fast fertig hatte, ist nur anzunehmen, dass in 12.Stunde ein Anerbieten von Russland erfolgte und dass der ultrareaktionäre Stürmer der Mann des Einvernehmens mit Deutschland ist.

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