Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
30.08.1916
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
30.8.1916

In den diplomatischen Depeschen tritt nun begreiflicherweise Griechenland in den Vordergrund. Am 25. noch sagte Grey dem italienischen Botschafter, er habe keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass Griechenland im Falle eines rumänisch - bulgarischen Konfliktes an Seite der Ententearmee eingreifen werde. In Russland hielt Stürmer schon am 23. ein Eingreifen Griechenlands infolge des Beispiels Rumäniens nicht für unwahrscheinlich, legte ihm jedoch keine besondere Bedeutung bei.

Eine Überraschung: Die bulgarische Kriegserklärung ist verschoben worden. Es heißt aber, dass heute die Entscheidung fallen soll.

Bei der 5. Armee nach Vormittagsmeldung nichts Neue von Belang. - Bei Heeresgruppe über Fleimstal keine, über Rufreddo - Raum unzulängliche Meldung; der Feind ist eingedrungen, unser Gegenangriff musste wegen unsichtigem Wetter verschoben werden. Es muss wieder ein sehr deutlicher Befehl hinausgehen, der Klarheit der Meldungen fordert. Man will noch immer nicht erfassen, dass dort, wo Ereignisse sich vorbereiten oder im Gange sind, eingehend gemeldet werden muss.

Von 210. Brigade gehen 4 Bataillone, die in Doboj und Brod kontumaziert waren, an die rumänische Front in den Raum von Orsova.

Heute große Spannung, ob Bulgarien an Rumänien Krieg erklärt. Tantiloff, den man mit Misstrauen beobachtet, äußerte: „Nix Kriegserklärung; Überraschung.“

Vormittags besucht mich Ginzkey; nachmittags ein Stündlein Spaziergang mit ihm; aber auch wir kommen über Kriegsgespräche nicht hinaus.

Über die Maßnahmen der Italiener im Großen herrscht augenblicklich keine Klarheit. Ich habe aber das Gefühl, dass hinter ihrer Front große Bewegungen vor sich gehen; und zwar dürfte es sich hauptsächlich um weitere Verschiebungen von der Tiroler Front an den Isonzo, dann um Gruppierung der Isonzostreitkräfte gegen ihren neuen Angriffsraum, schließlich um Heranbringen von Ersätzen und Artillerie handeln. Es wird aber immer deutlicher, dass Russland und Italien die Strategie gewählt haben, erst dann einzugreifen, wenn das Eingreifen Rumäniens wirksam geworden ist. - Nachrichten über Verschiebungen an den Isonzo liegen aus deutschen, nicht kontrollierbaren Quellen verschiedentlich vor; eine Meldung spricht auch von Verstärkungen der 5. Armee, über die wir hier nichts Neues wissen, durch Alpinitruppen und Gebirgsartillerie. Ich halte aber trotz aller numerischen Überlegenheit der Italiener einen gleichzeitig mit der Isonzooffensive einsetzenden größeren Angriff der Tiroler Front für wahrscheinlich.

Über die rumänische Sache soll Hindenburg heute in Pless den Ausspruch Getan haben: „Wird ein interessanter Feldzug werden“. In seinem neuen Milieu soll sich Hindenburg nicht sehr gemütlich fühlen; er sagt, wo er hinsehe, stehe ihm eine Vase oder dergleichen im Wege.

An unserer Front nur bei der 5. Armee lebhafteres Artilleriefeuer gegen den Raum von Britof und unsere Stellungen nächst des Rosentales; auch wieder regere feindliche Fliegertätigkeit. - Sonst keine Ereignisse; Niederschläge und Gewitter.

Heute unser Admiral (!) in Pless. Beratungen mit deutschem Admiralstab, offenbar wegen rücksichtsloser Führung des U-Boot Krieges.

Haberl erzählte mir, die Evakuierungen in Siebenbürgen seien sehr schlecht vorbereitet worden; den Rumänen sei namentlich verhältnismäßig viel Eisenbahnmaterial, auch Maschinen, in die Hände gefallen. Man war wieder überrascht, obwohl sich doch bei ernstem Studium der Nachrichten über die rumänische Mobilisierung und der Carlotti-Depeschen alles voraussehen lassen musste.

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