Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
20.09.1916
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
20.9.1916

Heute Vormittag kommt eine Depesche von Hindenburg: „Seine Majestät bittet zu erwägen, welche Kräfte unter Berücksichtigung der fortgeschrittenen Jahreszeit vom italienischen Kriegsschauplatz zu den entscheidenden Operationen in Siebenbürgen herangezogen werden können. Weitere deutsche Truppen können hiefür nicht freigemacht werden.“ Conrad bemerkt dazu: „1.) Jetzt Isonzoschlacht nicht abgeschlossen, daher Truppen von Tirol nach dem Isonzo am Transport. 2.) Wetter in Tirol noch nicht so, dass größere Aktionen ausgeschlossen. 3.) Idee, nach dem Wegfallen obiger Umstände, Truppen vom Südwest nach Siebenbürgen zu senden, besteht hier auch, ist jedoch dermalen nicht realisierbar, wird aber im Auge behalten.“ Ich stehe nicht auf diesem Standpunkt, sondern glaube, dass wir etwa, wenn auch noch so wenig, zum Beispiel eine Gebirgsbrigade abgeben müssen. Bereite in diesem Sinne das Konzept vor. - Mittagsresümee: Auf Karsthochfläche Kampftätigkeit gestern Nachmittag wieder bedeutend lebhafter. Starkes Geschützfeuer, mehrere Angriffe und Angriffsversuche, die alle in unserem Sperrfeuer nicht zur Entwicklung kamen oder zusammenbrachen. Gewitterstürme, strömender Regen. 10.: Anhaltender Regen und Nebel. Heeresgruppe: Nach einer eigenen Unternehmung am Civaron setzten im Suganer Abschnitt und am Masobach mehrere feindliche Angriffe ein, die unter starkem Verlust des Gegners abgewiesen wurden. Brigade Padova wurde aus dem Raum Pt.Cordin an den Isonzo verschoben. Die Ablösung der vordersten feindlichen Truppen in der Front vor der Gruppe Schenk (führt seit gestern diesen Namen, weil Schenk eigentlich schon Korpskommandant sein sollte) soll bis auf eine Brigade beendet sein. - Nachmittags spreche ich mit Metzger über die Antwort an Hindenburg und gewinne ihn, namentlich durch Hervorhebung der bei einer Ablehnung für Conrad bestehenden Gefahren, für die von mir vorgeschlagene Antwort: „Fortsetzung italienischer Offensive durch neue Schlacht im Görzischen und durch größere Teilangriffe an anderen Fronten ist wahrscheinlich. Gegen den nach Abrechnung jetziger Verluste mit 650.000 Gewehren einzuschätzenden Feind muss unsere Südwestfront mit 280.000 Gewehren standhalten. Operationen großen Stiles sind im Küstenland jederzeit möglich, an der Südtiroler Front nur während der Schneeperiode (meist Jänner bis April) unwahrscheinlich; gegenwärtiger Vorwinter im Hochgebirge‚ dem wärmeres Wetter folgen dürfte, schließt auch dort Angriffe noch nicht dauernd aus. Obwohl unter den dargelegten Verhältnissen Abgabe von Kräften augenblicklich äußerst schwierig ist, +) stellt AOK. der OKL zunächst eine vollwertige Gebirgsbrigade von der Isonzofront zur Verfügung, die dort durch Truppen aus Tirol ersetzt werden wird. Weitere Abgaben hängen von der Entwicklung der Lage ab.“ - Dieses Konzept erfuhr noch einige kleinere Änderungen (die Fortsetzung der italienischen Offensive wird als „sicher zu erwarten“ bezeichnet. Chef flickt selbst ein [nach +)] „wird das Risiko in Kauf genommen“. Dieser Passus wird aber bei Abgabe der Depesche über Weisung Metzgers, der sich anscheinend recht ärgerte, dass man gleich in der ersten Korrespondenz mit einem „Risiko“ beginne, weggelassen.)

In Dobrudža ein Rückschlag, der noch nicht klar zu überblicken ist. Vorläufig spricht man von einem Zurücknehmen der bulgarisch - deutschen Front um 10 km. Die alten Weiber schreiben dies dem Siegestelegramm des Deutschen Kaisers zu, der allerdings noch ein bisschen hätte warten können, aber wohl auch seine guten Gründe für den Zeitpunkt der Depesche gehabt haben wird Abendresümee: Bei 5. Armee stellenweise Geschützfeuer; auf dem Plateau auch Handgranatenkämpfe. Am lebhaftesten ist die Gefechtstätigkeit am südlichen Plateauabschnitt, besonders auf der Karstkuppe südöstlich des Doberdòsees.

Bei 10 Armee Regen und Nebel, geringe Gefechtstätigkeit.

Eigene Verluste im Flitscher Becken in den letzten Kämpfen 77 Tote, 378 Verwundete, feindliche nach vorsichtiger Schätzung 500 Tote, 1.200 Verwundete. - In Tirol Niederschläge; Schneegrenze 1500 m. - Feind: Für die in die Carnia abgegangene Brigade Benevento scheint nebst dem Bersaglieriregiment 12 auch das Bersaglieriregiment 6 an den Isonzo verlegt worden zu sein.

Eine interne Neuigkeit: Zeynek kommt in die Operationsabteilung und übernimmt hier eine Gruppe - die „polnische Gruppe“. Bedarf keines Kommentars.

Nachts führt noch Bosco ein Kabinettstück von Schlauheit und Bosheit auf. Statt den klaren Befehl, unter strenger Geheimhaltung des Zweckes, eine vollwertige, selbständig organisierte Gebirgsbrigade bereitzustellen, zu befolgen, bestimmt er die 5. Infanteriebrigade und lässt nachts die noch in Fahrt begriffenen Teile dieser Brigade stoppen. Natürlich ergeht von uns sofort Gegenbefehl und morgen wird eine tüchtige Nase folgen.

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