Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
25.09.1916
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
25.9.1916

Komme heute erst abends zu diesen Notizen, weil ich die ersten, grundlegenden Gedanken für eine eventuelle neue Offensive gegen Italien zusammenschrieb. Vorläufig nicht viel Konkretes; es soll nur die Aufmerksamkeit des Chefs und wenn möglich der Obersten Kriegsleitung auf diese Frage gelenkt werden. Ich glaube nämlich, dass Rumänien bald erledigt sein wird. Falkenhayn hat eine sehr schöne Operation in Vorbereitung, die morgen losgehen soll. Durch eine geschickte, nach der Karte zu urteilen, aber im Lande äußerst schwierige Verschiebung des Alpenkorps im Czibiner Gebirge soll der Feind in westlicher Flanke gefasst - man kann sagen, umgangen werden. Eine Feuermauer gegen das Alttal soll ihn verhindern, dort zu entkommen. Ich vermute, dass bei Hermannstadt die große Rumänendämmerung beginnen wird… - Heute erzählte Hennig recht Interessantes über die Reise, die er mit der Gesandtschaft mitmachte.

Stimmung in Bukarest war bei seiner Abfahrt schon scheußlich; die Zeppelinangriffe hätten eine fürchterliche moralische Wirkung gehabt. In Russland herrscht größte Ordnung auf den Bahnen, strengstes Alkoholverbot, durchaus zuversichtliche Stimmung, wohl aber ebenso wie bei uns bereits Menschenmangel.

5. Armee stellt 8. und 10. Gebirgsbrigade für Siebenbürgen bereit. Schwierigkeiten macht die Ausscheidung der Rumänen; das darf aber kein Hindernis sein. Beantrage auch, dass Hindenburg von der voraussichtlichen Transportbereitschaft (Ende des Monates) dieser Truppen verständigt wird. 1) Um unser Eingehen auf die Absichten der Obersten Kriegsleitung klar zu dokumentieren, 2) um einer etwaigen Urgenz zuvorzukommen.

Die Tätigkeit des Feindes am Isonzo hat sich heute beträchtlich gesteigert, namentlich gegen den südlichen Teil der Karsthochfläche.

Am Cimone sind noch verschüttete Italiener lebendig in den Cavernen; 24 derselben haben sich nachts selbst befreit und ergeben; die übrigen rufen um Hilfe, die ihnen aber nicht gewährt werden kann, da feindliches Artilleriefeuer Annäherung verhindert. Aus Menschlichkeitsgründen wurde die Entsendung eines eigenen Parlamentärs zur Vereinbarung eines 6stündigen Waffenstillstandes behufs Bergung der Verschütteten bewilligt. Die Italiener lehnten diesen jedoch ab; auf dem bezüglichen Schriftstück ist Albricci als Armeegeneralstabschef unterzeichnet.

Gegen Fleimstalfront dauern die - meist von 1/2 - 2 Bataillonen geführten - Angriffe, gegen den Abschnitt Gardinal - Coldorè fort. Bisher alles abgeschlagen.

Pohl schrieb mir einen äußerst interessanten Brief über die Ereignisse bei Görz. Werde ihn morgen beantworten und jedenfalls aufheben. Habe selten so viel Wahrheitsliebe und Selbstkritik gesehen.

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