Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
07.10.1916
Wählen Sie aus:
Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
7.10.1916

Mit 1 ¼ Stunden Verspätung gegen ½ 10 Uhr vm. an Adelsberg. Langes Gespräch mit Boroević anlässlich Meldung. Er ist äußerst ungehalten über jenen Befehl des AOK, der eine Berichterstattung der Abschnittskommandanten forderte. Boroević hat nun einen Brief vom Nationalkasino in Budapest erhalten, das gute Beziehungen zu Teschen haben soll: In diesem Brief wurde er gefragt, ob es wahr sei, dass das AOK Korpskommandanten an der küstenländischen Front über die Führung des AK. gefragt habe. Boroević fragte einleitend über meine Befehle; sage, dass ich mich zu orientieren habe, speziell darüber, ob man eine Infanterieschlacht für bevorstehend erachte. - Sonstige Gegenstände der Besprechung: 2.Linie, Artillerie-Feuermauer!, Minenwerfer; Urteil über Krauss und Erzherzog Josef; Einfluss der unverlässlichen Nationalitäten. - Diese Unterredung dauerte von 10 - 1115. 1130 Ab Adelsberg; Fahrt nach Kobila Glava zum VII. Korps [Gruppe Schenk hat 2 Seitenabschnitte. Im nördlichen ist ein vollwertiges Regiment (L1R4) als Reserve. Im Süden das an Zahl komplette LIR 31. - Von 16.Division 2 und 64 brav, 31. nach Ansicht des Brigadiers minder, aber bisher keine Anzeichen.] Komme erst am 8.10. dazu, meine Notizen über diesen Tag, nämlich den 7., nachzutragen. Also zunächst über das Gespräch mit Boroević, das etwa eine Stunde gedauert haben mochte. Anfangs war er äußerst ungnädig, und zwar wegen des Befehles, in welchem die Abschnittskommandanten über die Lage an der Front befragt wurden. Er begann mit dem Brief, den er aus dem Budapester Nationalkasino erhalten hat. Er wurde darin gefragt, ob es wahr sei, dass Teschen die Korpskommandanten an der Isonzofront über die Führung des Armeekommandos befrage. Ob und was er auf diesen Brief geantwortet hat, sagt er nicht; er lässt aber keinen Zweifel darüber. dass er, wenn die Sache vor die Öffentlichkeit käme, „die Wahrheit“ sagen wird, das heißt, „ja“! Ich bemühe mich vergebens, darzutun, dass dieser Befehl nach Sinn und Wortlaut nicht so aufgefasst werden könnte, da ja doch jeder Kommandant an der Front nur imstande sei, die Lage vor seiner Front zu beurteilen; er bleibt in seiner Wut bei der boshaften Auffassung und erklärt, es sei ihm nur leid gewesen, dass er bei dem zweiten derartigen Befehl nicht hier gewesen sei, sonst hätte er die Regimentskommandanten befragt und das Ganze dem AOK geschickt. Dann kommt natürlich wieder das Schlagwort vom grünen Tisch (als ob der in Adelsberg und bei den KKs. weniger grün wäre!) und schließlich das Urteil, dass diese Befehle laienhaft seien, von der Geschichte einst schwer verurteilt werden würden - und dass die Führung in den Karpaten viel großzügiger gewesen sei (namentlich in den Verlusten!) Er habe schon die Absicht gehabt, zu gehen, und nur deshalb, weil er Teschen keine weiteren Schwierigkeiten bereiten wollte, und weil wir im Krieg seien, habe er das Ganze eingesteckt. Nach wie vor stehe er auf dem Standpunkt, entweder man schenke ihm das Vertrauen oder nicht; durch solche Befehle sei aber seine Ehre berührt; das Ganze sei ein Kriegsspielaufgabenwitz, aber nicht ein Befehl an einen Führer, der nun seiner 18.Schlacht entgegensieht. Muss das alles natürlich über mich ergehen lassen und erkläre nur fest und bestimmt, dass das AOK so befohlen hat, um ein klares Bild über die Lage an der Front zu gewinnen, dass er übrigens, wie aus allem, namentlich aus der Beibehaltung der gegenwärtigen Befehlsverhältnisse hervorgeht, das volle Vertrauen besitze. Er erwähnt noch, dass im Nationalkasino die unglaublichsten Dinge über Teschen erzählt werden; wir müssten dort Ordonnanzoffiziere und dergleichen haben, der Tratsch…

Weiters kommt die Sprache auf die künftigen Befehlsverhältnisse. Er sagt, es sei ihm ganz gleichgültig (!), ob ihm der Erzherzog (mit Krauss) vorgesetzt werde; würde aber Krauss wieder zu sekkieren beginnen, so bleibt er keinen Tag länger. Hierauf fragt er einiges über die Führung in Tirol, meint, nun habe man ja die Beweise, dass Krauss vom Kriege nichts verstünde; ein Mann, der den Schnee nach cm misst, könne ein vorzüglicher Quartiermeister, aber nie ein Führer oder Generalstabschef bei einer großen Sache sein. Weiters sagt Boroević, man hätte den Beginn der Offensive einfach befehlen sollen. Da hat er ja Recht; erkläre ihm aber die Schwierigkeiten, die dem entgegenstanden, namentlich die geschlossene Phalanx XX., Dankl, Erzherzog Eugen. Weiters besprechen wir die 2. Linie. Brosch ist noch hier, hat aber seinen Bericht schon fertiggestellt, der vom AK. genehmigt wurde. Als 2. Linie muss Hermada - Fajti gewählt werden; es ist die letzte, die Triest noch wirklich deckt. Das Arbeiten im Feuer muss eben hingenommen werden. (Boroević gibt übrigens selbst zu, dass vom „letzten“ im Krieg nie die Rede sein könne. Er hat ja wirklich vernünftige Anschauungen, wenn er nur nicht so ein Ha… wäre!). - Über die Bedürfnisse der Armee sagt er: Infanterie habe er zum Halten genug; Artillerie könne nie genug sein, alles beruhe hier auf der Feuermauer. Die Minenwerferorganisation wird vom AK. selbst „großzügig“ in die Hand genommen. (Habe aber übrigens selbst den Eindruck, dass das AOK., das heißt Pflug, in dieser Sache ganz versagt hat.) - Schließlich sprechen wir über Erherzog Josef. Habe sofort den Eindruck, dass hier Differenzen bestehen, weil Boroević hervorhebt, der Erzherzog sei persönlich hervorragend tapfer, es hilft aber nichts, wenn sich einer erschießen lässt, der Führer müsse die verantwortungsfreudige Tapferkeit der Führung besitzen, er dürfe nicht an die Verluste denken, wenn ein Regiment in die Schlacht geworfen werden muss. - Dies die wesentlichsten Gegenstände unserer Unterhaltung. Stand natürlich die ganze Zeit habt acht. Gemütlich war es nicht. Soll es auch nicht sein. Das muss man Boroević lassen, er ist ein ganzer Soldat und weiß sich Autorität zu verschaffen; so sagte er zum Beispiel, die Folge unseres Befehles sei, dass er die Schraube gegenüber den Korpskommandanten fester angezogen habe. Beobachtete auch, wie le Beau vor ihm habt acht steht und hin- und herschießt.

Nichts von der österreichischen Gemütlichkeit, wie sie sonst zu treffen ist. - Abfahrt 11h30 Vormittag zum VII. Korps nach Kobila Glava. Dort gerade Abschied Eisner-Bubnas; Pohl hat heute übernommen. Eisner weiß nichts über den Grund seiner Ablösung; Pohl glaubt, dass sie gelegentlich der Anwesenheit Conrads in Adelsberg bei einem Tee bei le Beau, und zwar wegen der pessimistischen Berichte des VII. Korps beschlossen worden war. Treffe auch Mitzka hier. Längere Besprechung mit Pohl, der nach seiner bisherigen Orientierung den Eindruck gewonnen hat, dass das Korps viel zu dicht stehe. Er beabsichtigt daher die Front zu verdünnen, das heißt von 7.500 Mann der ersten Linie etwa 1.500 herauszuziehen. Pohl nicht sehr glücklich, Erzherzog fragte ihn bei seiner Meldung, ob er sich seiner Stellung gewachsen fühle. - Eindruck: Es sind genug Truppen da! Fahre etwa 4 Uhr zur 17. Division nach Zelezna - Vrata (General Ströher), durch Skrbina durch, das zeitweise unter Feuer steht. Vom Gefechtsstandpunkt des Divisionskommandos wegen Nebel nur schlechte Aussicht. Ziemlich starkes Minenwerferfeuer, alle 1 - 2 Sekunden ein Schuss hörbar. Artillerie schießt momentan wenig; weittragende Geschütze. in Richtung Lipa und ins Wippachtal.

Circa 6h30 Rückkehr nach Kobila Glava. Bei Erzherzog habe ich mich schon am Wege gemeldet, offizielle Meldung bei meiner Rückkehr. Er sagt mir im Wesentlichen: Das Korps wird halten, wenn die Stände nicht unter das jetzige Maß heruntergehen und wenn die Truppen, die größtenteils schon monatelang keine Retablierung genossen haben, zeitweise abgelöst werden können. Wenn halbwegs möglich, sollte dem Korps nur Ersatz aus seinem eigenen Mannschaftsmaterial gegeben werden. nicht aber wie in letzter Zeit vielfach unverlässlicher Ersatz, namentlich Rumänen. - Artillerie genug; zur Bekämpfung der feindlichen Minenwerfer Haubitzbatterien (schwere) erwünscht. - Schließlich sagt Erzherzog, dass er nicht wisse, warum Eisner-Bubna abgelöst wurde, es aber vermuten könne. Das AK. machte dem KK. eine grobe Ausstellung wegen des beim anbefohlenen Rückzug verloren gegangenen Materials (übrigens ausschließlich alte Minenwerfer und einige Munition). In dem betreffenden Befehl ist der Ausdruck „missliche Verhältnisse“ beim Korps angewendet. Dagegen hat sich nun der Erzherzog „ehrerbietigst, aber entschiedenst“ verwahrt. Während seiner Abwesenheit wurde dieses Konzept, das vom Erzherzog eindiktiert worden war und vom Eisner geschrieben worden ist, vom AK. eingeholt. - 8 Uhr Fahrt zur Gruppe Schenk nach Pliskovica, dort an 8h30. Schenk voller Zuversicht, hebt aber große Verluste hervor (in 7.Schlacht von 14.500 Mann circa 6300; einzelne Truppen bis zu 70 %!). Vom 1. - 6./10. Über 1800 Mann. Sonst nur Detailwünsche. Eindruck: Auch hier sind genug Truppen, genug Reserven für mehrere Schlachttage. Regimenter der (rumänischen) 16. ITD werden allmählich in die vordere Linie gebracht. - Abends nach 10 Uhr Rückfahrt nach Adelsberg. Im Abschnitt Schenk mäßiges, aber anhaltendes Artillerie - und Minenfeuer.

X
Tablet drehen