Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
09.10.1916
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
9.10.1916

Ankunft Teschen gegen 4h, Kless erwartet mich; orientiere ihn über meine Eindrücke. Dann eingehend Meldung bei Metzger und sogleich Einleitung der wichtigsten Maßnahmen: Besprechung mit Haberl (Helme, Arbeiter, warme Verpflegung, Schreiberei). Lorx, Schitler. Abends dann Orientierung.

Gegen Rumänien geht es flott vorwärts. Falkenhayn hält an seiner Operation gegen Bukarest fest. Gleichzeitig damit will Mackensen einen Donauübergang machen, um möglichst viel Kräfte auf sich zu ziehen. Dann kommt die planmäßige Plünderung der Walachei.

Heeresgruppe hat fortgesetzt Panik gemacht. So schon am 6.10. auf unser Telegramm wegen Bereitstellung einer Brigade „für alle Fälle“. Starker Angriff gegen die Fleimstalfront in 30 km Frontbreite im Gange. Die 3 Bataillone der HG-Reserve bereits nahe an die Front herangezogen. 11.Armee, welche eben erst 9 Bataillone abgegeben hat, besitzt nur mehr 1 Bataillon in Reserve. HGK. hat erwogen, ob es nicht geboten wäre, die in Aussicht gestellten Verstärkungen zu erbitten. Anstatt dessen wird jetzt Abgabe einer weiteren Brigade verlangt. Baldige Versammlung der 5 Baone undurchführbar. HGK wird tun, was möglich ist, muss aber melden, dass unter solchen Umständen ein feindlicher Vorstoß gegen die 11. Armee unabsehbare Folgen haben kann.

Daraufhin erging der Befehl, dass das AOK trotz der Kämpfe an der Fleimstalfront bei großer Kräfteanstrengung der Italiener an der Isonzo Front auf die bereitzustellenden Baone greifen müsste. „Das HGK hat daher zu melden, bis wann es unter den gegenwärtigen Verhältnissen die Bereitstellung durchführen kann.“ - Hierauf kam am 7. die Antwort: „Vorausgesetzt, dass die Meldungen des 5. AK. über die bedeutend erhöhte feindliche Artillerietätigkeit auf der Karsthochfläche vom 30./9. zutreffend sind, muss der Umstand, dass das starke feindliche Feuer am 6.10. plötzlich ganz abflaute, ohne dass es zu einer Infanterieaktion gekommen wäre, auffallen. Da man nicht annehmen kann, dass sich der Feind ohne triftigen Grund zu einem so großen Munitionsverbrauch bewegen ließ, so bleibt nur die Annahme einer Demonstration übrig, die (!! ähnlich wie unser demonstratives Feuer an der Front der 5. und 10. Armee unmittelbar vor der Maioffensive der Heeresgruppe) den Zweck verfolgte, uns zu einer Verschiebung von Kräften aus Tirol an den Isonzo zu verleiten. Für diese Annahme spricht besonders die Tatsache, dass die starke feindliche Artillerietätigkeit auf der Karsthochfläche am gleichen Tage eingestellt wurde (!!), als der allgemeine feindliche Angriff gegen die Fleimstalfront einsetzte. HGK ist daher der Ansicht, dass der Feind jetzt trachten werde, mit allen Mitteln die Fleimstalfront zu forcieren, erwartet daher eine längere Dauer der jetzigen Kämpfe, zu deren Fortführung der Feind leicht Verstärkungen von der Isonzofront heranziehen kann. Überdies lässt eine Radiomeldung erwarten, dass der Feind durch Angriffe gegen die 11. Armee trachten wird, weitere Kräfte der HG zu binden, um jede Unterstützung der bedrohten Fleimstalfront möglichst zu verhindern.“ Antwort 8./10.vm. „Da nach Gesamtlage die Möglichkeit eines entscheidenden italienischen Angriffes am Südflügel der 5. Armee gegen Triest unverändert fortbesteht, muss diese Front, soweit es bei dem jetzigen Kräfteverhältnis im Südwesten angeht, auch bei Eintreten größerer Verluste stark bleiben. Das heftige italienische Feuer auf der Karsthochfläche ist nicht eingestellt, war nur zeitweise und stellenweise unterbrochen und hat wieder mit ganzer Kraft neu eingesetzt. Wie alle unsere sonstigen Feinde müssen jetzt auch die Italiener mit ganzer Wucht angreifen. Ihrer Zahl nach können sie dies gleichzeitig in Tirol und am Isonzo. Letztere Front ist die wichtigere. Der für den Kampf im Gebirge hohe Feuergewehrstand der dem HGK zur Verfügung stehenden Kräfte wird, selbst bei einem allgemeinen feindlichen Angriff gegen die Fleimstalfront, den nötigen Kräfteausgleich innerhalb des eigenen Bereiches gestatten. Über die in nächster Zeit angeordneten Verschiebungen ist AOK fortlaufend zu orientieren.“ Auch die Militärkanzlei S.M. hat sich in diese operative Angelegenheit hineingemischt und - was ganz unerhört ist - eine Beurteilung der Lage an der Fleimstalfront verlangt, worauf das HGK meldete: (Auszug) Feindlicherseits 48, eigenerseits 27 Bataillone; Kräfteverhältnis erträglich. Wegen großer Ausdehnung der Kampffront für Verteidigung großer Bedarf an Reserven. An Geschützen Feind nicht wesentlich überlegen; hat aber 5 mal so viel Munition als wir. Bisherige Reserve des HGK bereits dem Rayonskommando 4 zur Verfügung gestellt. Weitere 4 Bataillone aus Tirol können binnen 2 - 3 Tagen herangezogen werden, falls AOK auf den Abtransport der Brigade aus Tirol verzichtet. HGK beurteilt feindlichen Angriff auf Fleimstalfront als eine zwar mit Isonzo-Kampf zusammenhängende Aktion, aber nicht bloß zu demonstrativen Zwecken, sondern in der Absicht, diesen Abschnitt der Tiroler Front zu durchbrechen und uns dadurch zum Zurücknehmen der Front in Südtirol zu zwingen. Feind kann hiezu weitere Kräfte heranziehen. Diese können nicht so zeitgerecht festgestellt werden, um mit Heranziehung eigener Verstärkungen von entfernten Fronten noch zurechtzukommen. Beginn der strengen Jahreszeit wird die Fortsetzung einer größeren feindlichen Offensive an der Fleimstalfront wesentlich hemmen; umso mehr ist mit Anstrengungen des Feindes in nächster Zeit zu rechnen.“ Dieser Bericht wurde zur Kenntnis genommen. Aus ihm konnte das AOK ein klares Bild über die geplante Bereitstellung von Reserven gewinnen. (Conrad bemerkte pro domo dazu: Woher sollen jene reichlichen Reserven hergenommen werden? Es zeigt von einer Unkenntnis der Gesamtlage, wenn solche Forderungen gestellt werden. Mit obiger Logik müsste der Verteidiger absolut stärker sein als der Angreifer. Hält man diesen Luxus in unserer Lage für möglich?) - In diesem Ton geht das Gejammer des HGK fort. In einem heute gekommenen Telegramm ist sogar von großem feindlichen Einbruch, erzwungenem Rückzug, Geschütz - und sonstigem Materialverlust die Rede. Das wird morgen beantwortet werden.

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