Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
10.10.1916
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
10.10.1916

Nach gestriger Nacht- und heutiger Frühmeldung der 5. Armee ausgesprochener Eindruck, dass jetzt eine neue Schlacht auf der Karsthochfläche begonnen hat. Dementsprechend auch Pressebericht, - Sowohl Boroević als auch Krauss gefallen sich jetzt in den größten Übertreibungen. Namentlich Boroević spricht nur mehr vom Wüten und Toben der Schlacht, von blutenden Leibern unserer Infanterie u.s.w. Alles wahr, aber in einer Situationsmeldung, zumal einer solchen, die auch an den Kaiser geht, ganz unnötig. Wird auch abends angewiesen, rein sachlich zu melden, und Ausschmückungen und Einzelheiten für Presseberichte gesondert anzuführen. Heute ein äußerst bewegter Tag; komme erst spät abends zu einigen Notizen. - Dem HGK mussten wir auf seine Panikberichte energisch unsere Meinung sagen: „An einen großen feindlichen Einbruch, erzwungenen Rückzug, Verlust von Geschützen und sonstigem Kriegsmaterial zu denken, liegt kein Anlass vor. AOK sieht der Entwicklung der Lage an der Tiroler Front auch bei dem jetzigen Kräfteverhältnis mit Ruhe entgegen. Diese Ruhe muss in der gegenwärtigen Kriegslage überall auch angesichts bedeutender zahlenmäßiger Überlegenheit bewahrt werden, weil die den Endsieg anbahnenden Erfolge an entscheidenden Stellen wie jetzt in Siebenbürgen, nur auf Schwächung anderer, derzeit minder wichtiger Fronten aufgebaut werden können. Nun muss die Südwest-Front mit ihren Kräften durchhalten. Es besteht aber kein Zweifel mehr, dass sich die Hauptwucht der feindlichen Offensive gegen den Südflügel der 5. Armee richtet. Dort liegt daher derzeit die Entscheidung an der italienischen Front. AOK muss aus diesem Grund an der geforderten Bereitstellung (von 5 Bataillonen) festhalten, hat jedoch zur Kenntnis genommen, dass sich diese Bereitstellung verzögert.“ - Mittagsresümee: Heute seit Tagesanbruch neuerdings heftigstes Artilleriefeuer gegen Karsthochfläche; Ausdehnung immer mehr im Wippachtal, sodass auch dort mit allgemeinem Angriff gerechnet werden muss. - Bei Heeresgruppe: Angriff auf Pasubio nimmt an Ausdehnung zu; nach Gefangenenaussage über 10 feindliche Bataillone beteiligt. Feind hält sich noch in einem Frontstück am Cormazon Rücken. Gegenangriff auch dort in Vorbereitung. An Fleimstalfront 4 Angriffe gegen Garnival - Busa alta abgewiesen. - Nachmittags kommt noch ein chiffrierter Nachtrag zur letzten Meldung des HGK., worin das 11.AK. ernstliche Vorstellungen gegen eine weitere Schwächung von 1 - 2 Bataillonen erhebt und bittet, wenn eine solche beabsichtigt sein sollte, die Zurücknahme der Front rechtzeitig anzuordnen. Das HGK verstärkt dies noch, lastet alle Verantwortung dem AOK. auf und fordert 1 - 2 Brigaden zur dauernd gesicherten Behauptung von Tirol. Wir antworten darauf, dass die in den Situationsmeldungen berichteten Verschiebungen (es sind nun alle Bataillone der bereitzustellenden Brigade verausgabt) gutgeheißen werden; dass das AOK der Ansicht ist, der jetzige Angriff an der Tiroler Front könne kaum großen Stiles und kaum von längerer Dauer sein; dass daher örtliche Geländeverluste das Halten der gesamten Front nicht beeinflussen dürfen; endlich dass eine Sicherstellung von „unantastbaren Kräften“, wie sie das 11.AK. fordert, im Weltkrieg unmöglich ist. Für alle Fälle ergeht aber an das 5. AK. der Auftrag, 2 gebirgstüchtige Bataillone an die Bahn zu stellen. Die Situation ist nämlich an beiden Angriffsfronten schwieriger geworden. - Bei der Heeresgruppe sehr lebhafte Artillerietätigkeit im Etschtal gegen die Front Marco – Zugna-Westhang. Auf dem Pasubio wurde den ganzen Tag erbittert gekämpft. Gegen Mittag drang der Feind in die Cormazon- und Pasubiokopfstellung ein, sodass die eigene Stellung auf den Roiterücken zurückgenommen werden musste. Auch gegen die Front des XX. Korps stellenweise starkes Feuer. - Dagegen ist die Kampftätigkeit an der Fleimstalfront abgeflaut. - Bei der 5. Armee geht die Schlacht fort und dehnt sich auch auf das Wippachtal aus. Wie die Nachtmeldung erkennen lässt, gelang es dem Feind an mehreren Stellen einzudringen. Kritisch scheint die Lage einige Zeit im Abschnitt zwischen Nova Vas und dem Doberdosee gewesen zu sein, wo der Feind bereits im Vorgehen gegen Jamiano war. Im Allgemeinen ist jedoch alles repariert. Die beiderseitigen Verluste sind schwer. Unsere artilleristischen Kräfte und Munition wurden voll eingesetzt. Die „letzte Armeereserve“, die 10.ITD, ist gegen die Karsthochfläche staffelweise in Marsch gesetzt; morgen kommt 1 IR. nach Gorjansko, eines nach Cernizza, eines nach Ternova. - Abends sprach ich auf dem Gang längere Zeit mit Conrad und erzählte ihm die Bedürfnisse auf der Karsthochfläche, wie ich sie in dem (aufgehobenen) Referat niedergelegt habe. Trotz des jetzigen Rummels gehen morgen die ersten Verfügungen für die Ansammlung von Vorräten in Tirol hinaus. Das Ganze macht die Quartiermeister-Abteilung, schon damit weniger Aufsehen erzeugt wird.

In Siebenbürgen geht es glänzend vorwärts; Gott sei Dank, wir brauchen es.

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