Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
12.10.1916
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
12.10.1916

Kundmann sagt mir früh, dass Chef gestern sehr gedrückt war. Allen ist jetzt die Panik in die Glieder gefahren, wozu wohl noch kein Grund vorliegt; es gilt nur, mit Ruhe und Energie einzugreifen, das heißt Kräfte heranzuführen und die Karstfront technisch so stark zu machen, dass der Italiener sich nicht weiter rühren kann. Es unterliegt aber keinem Zweifel, dass jetzt mit Südwesten nicht nur für Triest, sondern auch für den letzten Rest österreichischer Selbständigkeit, ganz speziell aber des Oberkommandos und schließlich „für den Kopf“ Conrads gekämpft wird. Man muss daher alle Kräfte einsetzen! - Mittagsresümee: Schlacht dauert fort. Die im Laufe des gestrigen Nachmittags geführten feindlichen Angriffe waren besonders heftig. Im Abschnitt Görz konnten, trotz starker Angriffe westlich Biglia, alle Stellungen behauptet werden. Nicht so im Abschnitt des VII. Korps, der an der ganzen Front 9 mal angegriffen wurde. Nova Vas ging verloren; eigene Stellung verläuft nun von Lukvica über Hudilog zum Trigonometer 208 (über 1 km Terrainverlust!) - Von hier nach Süden wieder alles behauptet. Beiderseitige Verluste groß. 2.700 Italiener gefangen. Alpenländische Truppen (44.ITD) zeichneten sich besonders aus. - An den übrigen Fronten keine besondere Tätigkeit. - Im Ganzen werden nun 20 Bataillone an den Südflügel der 5. Armee herangeführt: 6 aus dem Armeebereich (XV und XVII), 2 von Tirol, 1 aus Kärnten, 1 aus Pola, 4 vom Balkan, 6 von russischer Front. Überdies werden von Hindenburg deutsche schwere Batterien angesprochen, um einige 15 cm Haubitzbatterien der Festungsartillerie von der Nordost Front auszulösen. - Mittags erkundigte sich Minister des Äußeren; ich gebe Kinsky beruhigende und gründliche Aufklärungen, dass von einer Sorge um Triest keine Rede zu sein brauche; die Lage sei schwierig aber nicht kritisch. Die Terrainverluste erkläre ich auf der Karte; verweise auch auf Wahrheitstreue unseres Presseberichtes. - Der heutige Nachmittag und Abend bei uns wesentlich ruhiger. Nach der Abendmeldung der 5. Armee hält der Feind die gewonnene Stellung zwischen S.Grado und 208 (südlich Nova Vas) stark besetzt; ein Versuch, darüber hinaus vorzubrechen, scheiterte aber in unserem Feuer. Bei 144 noch harter Kampf; alle feindlichen Stürme abgewiesen. - Am Pasubio misslangen gleichfalls 2 Angriffe der Italiener; Soós, den ich heute nach längerer Pause wieder einmal telefonisch sprach, beurteilt die Lage zuversichtlich; er verlangte nur Ersatz für 2 TKJR. - Metzger meinte abends, gestern sei einer der kritischsten Tage gewesen, er mag ja Recht haben. Gottlob haben wir die Ruhe nicht verloren. Wie mir Kundmann abends erzählt, hat Bosco bei der Militärkanzlei um die besondere allerhöchste Anerkennung und ein Handschreiben gebeten. - Nachtmeldung der 5. Armee recht gewunden: „Wenn sich auch im Laufe des heutigen Tages die Angriffstätigkeit des Feindes im allgemeinen etwas schwächer äußerte, war dennoch nachmittags den tapferen Karstverteidigern Gelegenheit gegeben, schöne Erfolge zu erringen.“ - Aus der Meldung sind diese schönen Erfolge, abgesehen von einem im Abschnitt IIIb abgeschlagenen Angriff, wo von 8 - 10 Bataillonen nur wenige Leute zurückgekommen sein sollen, nicht zu ersehen. Im Gegenteil, bei Sober konnte ein eigener Angriff „nicht vollkommen durchdringen“ (das heißt, er misslang!) und die eigene Linie musste um 400X zurückgenommen werden… Überhaupt scheinen die Meldungen dieses AK. durch und durch verlogen zu sein. Es ist auffallend, dass die italienische Heeresleitung in einem Coltano - Communiqué veröffentlicht, am 9. dieses Monates (wo Boroević eine wütende Schlacht meldete) haben gar keine Infanteriekämpfe stattgefunden! Das wird noch aufzuklären sein.

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