Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
15.10.1916
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
15.10.1916

Ich habe den Eindruck, dass jetzt Zeiten schweren internen Kampfes kommen werden. Es handelt sich ernstlich um die Stellung des Chefs und des bisherigen Oberkommandos. Die Mehrzahl unserer Herren fasst das nicht auf, ist leichtsinnig in ihren Urteilen und auch in ihren Äußerungen gegenüber den Deutschen. Deren Einfluss wird auf allen Gebieten immer größer. Man muss aber anstreben, dass uns wenigstens die Südwest Front so lange als möglich verbleibt; daher sind die fortwährenden Bemerkungen, es gehöre ein deutscher General zur 5. Armee u.s.w. gar nicht am Platz. Ich halte dafür, dass eine gewisse Wanderung unserer Truppen und namentlich technischen Kriegsmateriales (Geschütze, Minenwerfer) von Nordost nach Südwest unvermeidlich ist. In den letzten Schlachten sind mehrere Divisionen am Karst vollständig zerschlagen worden. Sie müssen gründlich aufgefüllt und retabliert, in der Front aber ersetzt werden. Ich gedenke dafür energisch einzutreten; denn dadurch wird auch unser Menschenmaterial geschont. - Heute gibt mir Lauer einen Brief Grancys, seines Schwagers, der Generalstabschef bei der 43. ITD ist; er schildert wieder die bedenkliche Überlegenheit der Italiener an Minenwerfern. Unsere Organisation kommt den Bedürfnissen in keiner Weise nach. Pflug ist aber nicht zu bekehren; er sagt immer nur, dass das Möglichste geschehe!

Die Chefkrise beschäftigt mich und Kless unausgesetzt. Es ist ja schließlich auch unsere eigene Krise; jedenfalls aber jene Österreichs. Rettung kann nach meiner Überzeugung nur eine energische „Offensive“ des Chefs schaffen; er müsste sich selbst (das aber bald!) dem Kaiser zur Verfügung stellen und darauf hinweisen, dass er nicht weiter arbeiten könne, wenn er in dem schweren Kampf um den Rest des österreichischen Einflusses nicht unterstützt würde.

Die Resümees gebe ich heute nicht wieder, weil gar nichts los ist; abgesehen von dem auch im Pressebericht erwähnten Angriff der Italiener bei Sober. - Abends kommt die von uns abverlangte Meldung über die Lage der 5. Armee, vielmehr speziell ihres südlichen Flügels. Die Verluste in der 8. Isonzoschlacht waren außerordentlich groß. (Zum Beispiel 20.ITD 80 %, viele Truppenkörper und Bataillone 50 - 70 %). Es muss etwas geschehen, damit sich dies nicht wiederholt. Verfasse nachmittags einen Befehl, der Boroević den Ernst der Sache vor Augen führen und ihn an seine Verantwortlichkeit erinnern soll; Hauptziel dieses Befehles ist, die Karsthochfläche zu einer Front von Maschinen zu machen. Das müssen wir nun mit ganzer Energie durchführen. Die Militärkanzlei bekommt den Befehl Vid.p.e., damit ihr auch ein bisschen die Augen geöffnet werden.

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