Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
16.10.1916
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
16.10.1916

Am rumänischen Kriegsschauplatz begann heute der Angriff des Alpenkorps. Jener in der Dobrudscha, wo die Russen eine Division abgezogen haben, wurde von Mackensen wegen unzureichender Munitionsvorräte um einige Tage verschoben. Wie Erzherzog Karl berichtete, hat Falkenhayn vom Deutschen Kaiser wegen Zersplitterung der Kräfte eine tüchtige Nase bekommen.

Heute allgemeiner Wettersturz. In Tirol bis 900 m herab Neuschnee. Im Küstenland starker Regen. Daher überall geringe Kampftätigkeit. - Nur am Pasubio und in den Fassaner Alpen brandelt es. Dort soll unsererseits, wie ich aus einer Munitionsanforderung entnehme, die unangenehme Kote 2456 (Busa alta) wieder genommen werden; die Munition wird hergegeben; gelingt es: gut; gelingt es nicht, so geht es auf Roths Konto.

Heute Nachrichten über Kriegserklärung Japans an China. Wahrscheinlich haben die schlauen Japaner mit den Engländern gepackelt und die beiden machen nun gute Geschäfte im fernen Osten auf Russlands Rechnung.

Bei der 5. Armee ist eine durch die Schlacht bedingte Neugliederung der Verbände im Gange. Besonders die 57. und 28.ITD sind davon betroffen. Letztere hat nun den Charakter einer alpenländischen Division gänzlich verloren. Klaren Einblick über Lage, Standesverhältnisse und Verluste haben wir noch immer nicht; Boroević wird aber ununterbrochen getreten werden. Ich denke auch daran, weitere Truppen zur Retablierung zurückzunehmen; wenn irgend möglich, alpenländische Regimenter. Heute 2 wichtige Fragen erledigt: Die Arbeiterbeistellung für die zweite Linie im Görzischen und die grundsätzliche Baubewilligung für die Bahn 11. Loitsch - Zoll, die für Materialversorgung und auch operativ bei eventueller weiterer Zurücknahme unseres Südflügels äußerst wichtig ist, auch jetzt schon sehr erwünscht wäre. (Voriges Jahr war ich wegen Arbeitermangel und in Anhoffnung eines großen Erfolges unserer Offensive dagegen).

Diplomatische Depeschen: Asquith sprach am 9.10. mit dem italienischen Botschafter in London über die allgemeine Kriegslage. Die strategischen Absichten Rumäniens erscheinen ihm und den militärischen Autoritäten unverständlich; es sollte seine Hauptanstrengungen gegen Bulgarien konzentrieren! - Mit Sarrail scheint man in England wenig zufrieden zu sein. An der West-Front geht es nach seiner Auffassung sehr gut, da man bereits in Baupaume sei. Auch an der italienischen Front nehme alles seinen vorgezeichneten Lauf. Er fragt, ob am Karst neue Angriffe in Vorbereitung seien. Der Botschafter antwortete, er sei darüber nicht unterrichtet. Asquith sprach in begeisterten Ausdrücken von General Cadorna, der ihm unter den Heerführern der Verbündeten das größte Vertrauen einflöße wegen seines ruhigen Blutes und seiner Geschicklichkeit, von welcher er während der defensiven Operationen in Südtirol den Beweis lieferte und welche in der Kriegsgeschichte verewigt werden würde. (Conrads Notiz dazu: 1 ½ Jahre steht er wie der Ochs vor dem Berg.) In der kleinasiatischen Frage bestehen zwischen Italien und Frankreich wachsende Differenzen. Die Italiener fürchten auch, dass die übrigen Mächte geheime Zugeständnisse an Griechenland gemacht haben. - Auch aus einem Telegramm des italienischen Botschafters in London vom 11.10. geht hervor, dass die Engländer die Lage Rumäniens für sehr ernst ansehen und auf Russland einen Druck ausüben, dass dieses hilft. Die Frage der Verstärkung der Saloniki Armee (um 8 Divisionen?) wird angeblich studiert. - Bratianu hat jetzt größte Angst (laut eines Telegrammes des italienischen Botschafters aus Bukarest vom 9./10.); er spricht nur mehr von der Vernichtung Rumäniens, „während die Entente noch wartet“; den Mittelmächten werde eine reiche Kornkammer und ein ebenso reiches Depot an flüssigen Brennstoffen zufallen.

Abends noch ergeht ein Befehl an die 5. Armee, dass wir mit der beabsichtigten Kriegsgliederung einverstanden sind, dass aber die Stände truppenkörperweise sobald als möglich zu melden sind, damit die Ersatze entsprechend bereitgestellt und dirigiert werden. Ich denke immer daran, weitere Armeekörper oder doch Truppenkörper aus der Front zu ziehen und zu retablieren; immer in der Grundabsicht, dass die Deutschen uns nicht ganz verbluten lassen können, sondern dass es im Frühjahr dazu noch eine österreichische Armee gibt.

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