Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
06.12.1916
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
6.12.1916

Früh kommt die Nachricht, dass in der vergangenen Nacht Abteilungen des Kavallerie Korps Schmettow das nordwestliche Fort von Bukarest genommen haben; Patrouillen ritten in die Stadt ein; Abteilungen des 54. Reserve Korps werden ihnen folgen. Falkenhayn hat somit den Vogel abgeschossen. Mackensen hatte schon gestern früh einen Parlamentär in die Stadt geschickt mit der Aufforderung zur Übergabe. Bis heute früh, widrigenfalls die schwere Artillerie (p.d. von der nur einige Batterien, darunter nicht eine österreichisch ungarische, zur Stelle sind) das Feuer eröffnen würde. Er erhielt die Antwort, es müßten noch die Entschlüsse der Entente abgewartet werden.

Vormittags frage ich Metzger, wie es sich mit der 41. ITD verhält, und werde bei dieser Gelegenheit ziemlich eingehend über die weiteren Absichten der OKL informiert, die beim gestrigen Beisammensein der beiden Chefs erörtert wurden. Was zunächst die Division betrifft, so ist sie bloß dazu bestimmt, eine größere Sicherheit gegen den nächsten Angriff der Italiener auf Triest zu bieten. Sie beginnt am 7. zu fahren, dürfte am 12. oder 13. eintreffen. Irgendeinen Ersatz dafür hat Ludendorff nicht verlangt. Ist bis dahin Schlacht, so bleibt daher auch die 81.IBrig. der 20.HITD., ansonsten wird diese Brigade abgesandt werden.

Für die rumänische Front besteht die Absicht, die Linie Foksani - Galaz - Donaumündungen zu erreichen, darüber aber nicht hinauszugehen. Ist dieses Ziel erreicht, so wird entschieden werden, ob Russland, und zwar beiderseits des Dnjester, weiter angegriffen wird oder aber, ob es gegen Italien geht. Für letzteren Fall wäre Ludendorff im Winter keinesfalls für eine Operation aus Tirol, und unser Chef hat ihm darin auch beigestimmt. Metzger gibt sich keinen Täuschungen hin, dass am Isonzo nichts Großes zu erreichen sei; ich mache aufmerksam, dass überhaupt diese Operation nicht so günstig sei, als sie im ersten Augenblick scheinen mag; denn unsere Bahnen können nicht soviel leisten. Von den 50 Zügen der Südbahn sind jetzt circa 30 (Kohlen -, Personen -, Approvisionierungszüge u.s.w. nicht gerechnet!) in Anspruch genommen. Der Angriff am Karst und bei Görz wäre sehr schwierig. Bei Tolmein ist es schwer, größere Kräfte als noch 2 - 3 Divisionen anzusetzen und eine stärkere schwere Artillerie in Stellung zu bringen. Ich bitte Metzger, sobald diese Sache einigermaßen aktuell wird, mich sogleich hinunter zu schicken, damit ich mir die Verhältnisse in dieser Jahreszeit ansehe; überdies will ich ein Kalkül über die Leistungsmöglichkeit der Bahn - außer den normalen Nachschubzügen der bereits sehr starken 5.Armee - machen. Ich betone auch, dass die Entscheidung gegen Italien nur bei einem sehr starken Angriff, bei welchem Tirol immer wieder die entscheidende Richtung wäre, zu suchen ist. Auch verhehle ich nicht, dass nach meiner Absicht vom großen Standpunkt der Angriff auf Italien später wahrscheinlich günstiger wäre. Gelingt es, mit Russland ein Abkommen zu erreichen, so kann man von Italien fordern, was man will und braucht, und die Hunde müssen nachgeben. Gelingt es aber nicht, so kann der Feldzug jedenfalls dann mit größerer Kraft und Ruhe geführt werden, als vor einer neuen Tracht Prügel, die die Moskauer erfahrungsgemäß brauchen, damit sie 1/2 Jahr oder doch 1/4 Jahr Ruhe geben. Mir schwebt immer vor, dass wir Italien von allen Seiten, mit der Hauptkraft aber unbedingt wieder aus Tirol angehen. Metzger sagt auch, dass der neue Kaiser natürlich von Eugen und Krauss fortwährend sekkiert wird, damit diese das Kommando über die ganze Südwest Front erhalten. Conrad hat die Gegengründe geltend gemacht, als deren vornehmsten er anführte, wenn es gegen Italien losginge, müssten doch wieder die jetzigen Befehlsverhältnisse hergestellt werden. Ich führe noch an, dass jetzt einer der gewichtigsten Gegengründe gegen die jetzige Ordnung der Dinge, die große Entfernung des AOK. von der 5. Armee, wegfällt, weil wir ja von Baden näher zur Karstfront sind, als der Erzherzog von Bozen. Gegen dessen Verlegung sprechen aber Gründe genug, die dem Allerhöchsten Herrn geläufig sind. Überdies sollte ins Treffen geführt werden, dass es ganz im Interesse des jungen Kaisers liegt, dass er, der AOKdt., den nächsten und sicherlich siegreichen Feldzug gegen Italien selbst führt, nicht aber den Ruhm dem Erzherzog Eugen überlässt. Auch verschweige ich nicht, dass Krauss bei der Truppe sehr unbeliebt ist; ganz abgesehen davon, dass er sich auch als Führer nicht glücklich betätigt hat. Metzger bemerkt dazu, dass der Kaiser Krauss persönlich nicht besonders mag; gleichwohl könnten Einflüsse aus seiner Umgebung die Schaffung des Südwestfrontkommandos herbeiführen. Metzger merkt sich über meine Bitte vor, dass der Chef die gewichtigen Argumente, die gegen diese Lösung sprechen, heute nochmals vorbringt, damit nicht in den nächsten Tagen, wenn der Kaiser wieder fort vom AOK. ist, plötzlich ein so folgenschwerer Befehl provoziert wird.

Mittagsresümee: Bei 5. Armee gestern normales Artilleriefeuer, am Karst auch nachts; kleine italienische Abteilungen versuchten gegen unsere Stellungen bei Kostanjevica vorzugehen; sie wurden abgewiesen. Regnerisches Wetter. In Kärnten und Tirol starker Schneefall, zahlreiche Lawinenabgänge. Am Pasubio eine ganze Kompagnie verschüttet. Seit heute früh aber an der West- und Südfront Aufheiterung. Die wird wahrscheinlich bald auch ins Küstenland kommen. - Baden ist natürlich das Tagesgespräch. - Mehr als Bukarest. Der Kaiser soll nicht in Laxenburg, sondern auch in Baden und zwar samt dem Erzherzog in der Weilburg wohnen. Quartiermacher u.s.w. aller Abteilungen sind bereits auf dem Wege.

Nachmittags die Nachricht dass Ploiești genommen, Bukarest fest in unserer Hand ist.

Abends fährt unser Kaiser nach Wien zurück.

Hier natürlich und mit größerem Recht denn je Jubelstimmung über Bukarest.

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