Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
09.12.1916
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
9.12.1916

Gestern wurde die Allerhöchste Genehmigung für eine Offensive auf Ocna erbeten. An dieser werden etwa 9 Divisionen teilnehmen. Soweit bisher zu ersehen ist, bringen die Russen an die Serethlinie (Front Bacau - Galaz) 12 Divisionen heran. Bei diesen Eisenbahn Verschiebungen sollen sich bereits große Schwierigkeiten ergeben. Unser Vordringen in Rumänien ist andauernd sehr rasch. Gestern hielt das Gros der 9.Armee Rasttag. Von Buzeu sind die Tȇten sowohl im Buzeutal als auch auf der von Ploiești heranführenden Straße nur mehr 50 km entfernt. Oltenita wurde von den hier über den Strom gegangenen Bulgaren besetzt.

Mittagsresümee: Gestern nachmittags anhaltender Artilleriekampf wechselnder Stärke, nachts stellenweise, namentlich gegen den Raum von Hudilog, 208, Geschützfeuer meist leichter und mittlerer Kaliber. Stürmisch, kaltes Regenwetter und Schneetreiben. - Tagesdurchschnitt der Verluste der Armee in der ersten Dezemberwoche: 52 Tote, 210 Verwundete, 401 Kranke, 7 Vermisste, Summe 670 Mann; Gesamtverlust in dieser Woche 4693 Mann. In Kärnten und Tirol noch immer Schneefälle. Wetteraussichten weiter schlecht.

Mittags speise ich zufällig nur mit Kageneck und Falk. Das Gespräch springt von der Übersiedlung nach Baden zu den Personalfragen beim Oberkommando und zur Frage des künftigen Chefs. Ich entnehme allen Äußerungen, dass Metzger bei den Deutschen keine besondere Wertschätzung genießt; sie sprechen ihm nicht nur alles Großzügige, sondern auch die Fähigkeit ab, seine Ansichten zu vertreten und mit Politikern u.s.w. zu verhandeln. Ihre Ideale sind natürlich Krauss und Arz. Kageneck wird noch deutlicher, indem er Metzger als Chef der Clique bezeichnet. Ich erkläre ganz offen, dass diesem Mann damit bitter Unrecht geschieht; erinnere besonders an seine Dienste im Jahr 1914, wo er immer Nerven und Ruhe bewahrte. - Anscheinend ist es beschlossen, dass Slameczka hinauskommt. Wallenberg äußerte sich heute gegenüber Kless in diesem Sinne; und gestern verschnappte sich auch Fischer, wobei er die unvorsichtige Bemerkung nicht unterdrückte, dass man an Allerhöchster Stelle über jeden Einzelnen sehr genau unterrichtet sei…

Abends beim Referat zeigt mir Metzger Befehlsentwürfe des Chefs an die 5., 10. und 11. Armee, dass diese Studien über eine Offensive vorzulegen haben. Und zwar die 5. Armee unter dem Gesichtspunkt den gegenüber befindlichen Feind entscheidend zu schlagen, bei der 11.Armee a) unter demselben Gesichtspunkt, b) nur um eine Offensive vom Isonzo her zu unterstützen; bei der 10.Armee nur unter letzterem Gesichtspunkt. Überall mit den bei uns üblichen Fragen über Kräfte, Stoßrichtungen, Zeitkalkül u.s.w. u.s.w. Metzger ist von dieser Sache gar nicht begeistert und ich unterstütze ihn mit allen Kräften in dieser Auffassung; er sagt mir zu, dem Chef heute das Ganze auszureden. Angriffsrichtungen u.s.w. sind uns doch vollkommen klar, und was nicht klar ist, können wir selbst an Ort und Stelle klarstellen. Auch Metzger ist entschieden dafür, dass klipp und klar von hier aus befohlen wird. Er macht auch, speziell bei Boroević, das Bedenken geltend, dass der dann immer sagen würde, falls seine Ideen nicht zur Durchführung gelangten, er habe das Richtigere und Bessere vorgeschlagen. Ich füge bei, dass sich übrigens beim 5.AK. kaum 1 Generalstabsoffizier befinden dürfte, der die Verhältnisse draußen wirklich beherrscht. Bin übrigens überzeugt, dass Metzger seine Ansicht beim Chef durchbringen wird.

Auffallend ist es, dass sich Chef und Metzger bereits eingehend mit der Frage einer Offensive gegen Italien befassen. Ich halte es nicht für unmöglich, dass der junge Kaiser - in Kenntnis der beiden Eventualitäten, längs des Dnjester oder gegen I. - dem Chef gesagt habe, er will das letztere.

Abendresümee: Bei 5. Armee im Allgemeinen mäßigere Artilleriekämpfe. Feind arbeitet emsig an Ausgestaltung des Angriffsraumes. Bewölkt, gute Sicht. Bei 10.Armee dichter Nebel, Schneefall und Lawinengefahr. - In Tirol Seilbahn auf Marmolata durch Lawinen zerstört; jede Verbindung mit dortiger Besatzung unterbrochen.

Abends beim Essen tauchen Zweifel auf (und zwar von Falk, der es von Lorx gehört hat) ob wir nach Baden gehen. Wir haben zwar schon den schriftlichen Befehl; trotzdem werden aber auch Wien und Meidling genannt. Das Erstere wäre, von allem Privaten abgesehen, geradezu ein Unglück. Jede ruhige Arbeit würde sich aufhören.

Nachricht des Ministeriums des Äußeren sagt, dass die Offensive auf Triest unmittelbar bevorstehe und dass Frankreich hiezu viel schwere Geschütze liefert. Dies wird der 5. Armee mit dem Auftrag bekanntgegeben, zu melden, ob in letzter Zeit neue schwere und schwerste Geschütze aufgetreten sind.

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