Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
10.12.1916
Wählen Sie aus:
Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
10.12.1916

Ein Bericht des Militärattachés in Bern vom 1.12. gibt interessante und recht glaubwürdige Konfidentenmitteilungen: Die von Russland geführten Verhandlungen sind gescheitert; alle Entente Staaten sind mehr denn je zur Fortsetzung des Krieges entschlossen. Die Niederlage der Rumänen hat die Stimmung beeinflusst, man ist aber keineswegs niedergedrückt. Der Formierung des polnischen Heeres sieht man mit Spannung entgegen, hofft aber auf viele Überläufer. - In Italien ist die Stimmung ganz gut. Cadorna erfreut sich des größten Vertrauens. Das militärische Verhalten wird durch die Erwägung diktiert sein, dass nach der Niederwerfung Rumäniens eine Offensive gegen Italien das nächste Ziel der Zentralmächte sein werde. Vor dieser herrscht ernste Besorgnis. Um ihr zuvorzukommen, wollen die Italiener demnächst unter Aufbietung aller Kräfte gegen Triest offensiv werden und diese Stadt erobern. Die Entsendung italienischer Truppen nach Frankreich wurde wieder glatt abgelehnt. Amerika liefert in noch nie da gewesenem Maße Munition.

Gestern abends Debatte über Stärke des rumänischen Heeres nach seinen Niederlagen. Hranilović behauptet, man könne es jetzt auf 150.000 Gewehre schätzen; nach Einstellung der zurückgebrachten Ersatzmannschaften könne es wieder die Stärke vom Beginn des Krieges, rund 300.000 Gewehre erreichen.

Nach Mittagsresümee bei 5. Armee normale Artilleriekämpfe; auf der Karsthochfläche stellenweise auch mäßiges feindliches Minenwerferfeuer. In Kärnten und Tirol Ruhe. Starke Kältegrade (in Kärnten bis 10, in Tirol bis 22°).

Abends: Bei 5. Armee normale Artilleriekämpfe, bei welchen der Feind auch Gasgranaten verwendete. Bei der Sdobbamündung werden neue weittragende Geschütze in Stellung gebracht. In Kärnten und Tirol anhaltender Schneefall, auch in den Tälern; große Lawinengefahr.

Habe immer den Eindruck, dass nach Niederwerfung der Rumänen, oder richtiger nach Erreichen der Serethlinie ein russischer Feldzug kommt. Es wäre auch direkt schlecht, die Russen jetzt auszulassen; wir hätten sie dann im Frühjahr mit aller Kraft wieder. - Ich halte es unter den jetzigen Verhältnissen auch nicht für zweckmäßig, zu einem neuen Feldzug gegen Italien, der nicht mit ganzer Wucht einsetzen würde, zu drängen. Namentlich bin ich sehr dagegen, dass „eine kleine Sache“ am Isonzo gemacht wird. Ein kleiner Erfolg gegen Italien wäre für die Mittelmächte ein Misserfolg; da gibt es nur tüchtige Prügel, Zurückwerfen bis an die Brenta wenigstens - oder gar nichts.

X
Tablet drehen