Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
11.12.1916
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
11.12.1916

Heute beherrscht die morgige Rede des Deutschen Reichskanzlers, die angeblich eine Friedenskundgebung werden soll, die Diskussion. Unsere Herren glauben größtenteils, dass nun der Friede wirklich vor der Tür steht; besonders Christophori ist ganz wütend wenn man behauptet, dass die führenden Männer der Entente noch keineswegs einen weiteren Widerstand für aussichtslos erachten können. Man lese nur das heute in der Presse veröffentlichte Programm Lord Georges, das ein ausgesprochenes Kriegsprogramm ist und mir ganz wahrscheinlich vorkommt...

Kageneck machte einige dunkle Andeutungen, dass die Friedensrede etwas ganz Besonderes bringen wird (auf diesen Schwätzer gebe ich aber schon längst nichts mehr). Wiesner teilte mir mit, dass gleichzeitig auch eine Kundgebung unseres Auswärtigen Amtes, und zwar in Form eines Communiqués, erfolgen wird.

Mittagsresümee: Gestern untertags mäßige Artillerie- und Minenwerfertätigkeit. Nachts gegen die Karsthochfläche an mehreren Stellen heftige Feuerüberfälle der feindlichen Artillerie, bei welchen auch Minenwerfer mitwirkten. - Anhaltend regnerisch, föhniges Wetter; Verbindung mit Krn durch Schneesturm unterbrochen. Bei 10.Armee anhaltend Schneefall, stellenweise Schneesturm und Gewitter. Weg zu den Höhenstellungen mehrfach wegen Lawinengefahr gesperrt; auch einzelne Telefonverbindungen unterbrochen; ebenso in Tirol alle Verbindungen bei Franzensfeste. Heute spreche ich Rychtrmoc, der offenbar wegen der Badener Sache, hier ist. Er erzählt mir, er wisse von Pitreich, dass nun die Stimmung (!) in Adelsberg sehr gehoben sei, da das AOK soviel Artillerie zugeschoben habe. Nach wie vor bestehe die Überzeugung, mit 4 - 5 Divisionen und zwar am besten „nach einer Schlacht“ eine erfolgreiche Offensive durchführen, die Italiener gründlich schlagen und bis an den Tagliamento zurückwerfen zu können. Dasselbe wäre auch schon im Mai gelungen; unsere Offensive gelte als ein großer strategischer Fehler. Boroević sorgt auch für Verbreitung dieser Ansichten.

Der vom Kaiser erlassene Befehl wegen Vermeidung von Fliegerangriffen hat eine Antwort Hindenburgs hervorgerufen, die einen Zusatz für den russischen und rumänischen Kriegsschauplatz fordert, nach welchem die militärischen Kommandanten dort eigentlich freie Hand haben. Conrad beantragte diesen Zusatz für alle Kriegsschauplätze; die allerhöchste Entschließung nahm aber wieder den italienischen aus, sodass wir nun gebunden sind.

Unlängst haben die Deutschen Artillerie für die küstenländische Front angeboten; auf den Vorschlag, durch diese deutschen Batterien andere österreichisch-ungarische von der Nordostfront auszulösen gingen sie aber wieder nicht ein. Es handelt sich ihnen eben nur darum, unten Fuss zu fassen und wie überall das Heft in die Hand zu bekommen, wenn sie auch nur mit wenigen Kräften beteiligt sind. - Unternehmungen deutscher Luftschiffe gegen italienische Objekte stimmt Hindenburg nicht zu, angeblich weil man über die Witterungsverhältnisse südlich der Alpen nicht genug unterrichtet ist.

Abendresümee: Bei 5. Armee stellenweise mäßiges Artillerie- und Minenwerferfeuer, letzteres hauptsächlich gegen unsere Stellungen auf der Höhe 208. In den tiefer gelegenen Frontteilen stehen die Gräben unter Wasser. Nach heftigen Gewitterregen trat teilweise Ausheiterung ein; der föhnige Witterungscharakter hält jedoch an. - 41. ITD beginnt im Raum von Divacca auszuladen. - 10.Armee: Das ungewöhnliche Unwetter der vergangenen Nacht und des heutigen Morgens hat mehrere Schäden und Verluste verursacht. Durch Lawinen verunglückten 67 Mann; darunter sind 10 Tote. Teile der Bascon-, Seebach-, Malurchstellung mussten vorübergehend geräumt werden. Mehrere Baracken und Seilbahn sind zerstört, 4 Geschütze auf der Korader Höhe, 2 im Krunbachgraben, dann mehrere Straßen sind verweht. Die Schneestürme halten an. Auch in Tirol erneuert Schneefälle. Verluste durch Lawinen 59 Mann, darunter 34 Tote. Überdies 13 Verschüttete auf der Marmolata, wo die Bergungsarbeiten eingestellt werden mussten.

Feind: Das Bestehen der 6. Armee ist nun sicher festgestellt.

Auf dem Balkan sind anscheinend bei uns Operationen in Vorbereitung. Es handelt sich um Verstärkung unserer Kräfte im Raum von Berat um etwa 1 Gebirgsbrigade. Das wird wieder unverhältnismäßig viel Menschen und Pferde kosten, herausschauen wird dabei nichts.

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