Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
15.12.1916
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
15.12.1916

Beim Mittagsrapport frage ich Metzger, ob die Frage des nächsten großen Entschlusses schon in ein neues Stadium getreten ist. Er sagt mir, die beiden Chefs würden erst dann darüber sprechen, wenn sich unser Angriff von der siebenbürgischen Ostfront ordentlich fühlbar gemacht haben wird. Ich bat Metzger nochmals auf den Chef einzuwirken, dass sich die Idee, gegen Italien könne nur etwas ganz Großes unternommen werden, endgültig festsetzt und dass er sich gegenüber einem Angriff am Isonzo, namentlich aber gegenüber einer kleinen Sache, die nur zu einigem Terraingewinn führen würde, absolut ablehnend verhalte. Metzger nimmt ja selbst den Standpunkt ein: Gegen Italien kann auf 2 Arten unser Kriegsziel erreicht werden:

1) durch die Gesamtlage,

2) durch einen großen Feldzug, der auf vollständige Niederwerfung abzielt.

Dann ist alles schon in gutem Fahrwasser. - Was die Leistungsfähigkeit unserer Eisenbahn betrifft, habe ich errechnet, dass wir gegen Tolmein 10, an die untere Isonzofront rund 40 Aufmarschzüge heranführen könnten. Dabei ist die geringere Leistungsfähigkeit der Bahn schon berücksichtigt.

Eindruck des deutschen Sieges auf Japan ist nach einer Sonnino-Depesche umso größer, als der japanische Generalstab annimmt, die Kriegsentscheidung werde auf dem Balkan fallen. Die Lieferungen Japans an Russland haben angeblich bereits nachgelassen. „Inspirierte“ aus Berlin kündigen an, dass nach Entscheidung der Lage auf dem Balkan eine Offensive (Expedition) gegen Italien folgen werde, wenn die Verbündeten den Frieden zurückweisen. Dies ist ein deutliches Zeichen dafür, dass Italien jetzt nicht daran kommt. (Wohl ist es auch nicht unmöglich, dass dieser Teil der Depesche gar nicht aus Japan stammt, sondern von Sonnino gemacht ist).

Mittagsresümee: 5. Armee: Das feindliche Artilleriefeuer war gestern nachmittags nahezu an der ganzen Armeefront lebhafter; gegen die Räume Fajti hrib und Hudilog - Korite wirkten alle Kaliber. Nach Eintritt der Dunkelheit ließ die Stärke des Feuers nach; auf der Karsthochfläche hielt es jedoch die ganze Nacht mit ungewöhnlicher Intensität an. Langsame Ausheiterung. - Bei 10.Armee hat das Unwetter nachgelassen. Räumungs- und Bergungsarbeiten sind im Gange; einzelne Verbindungsstörungen bereits behoben. - Bei 11. Armee mäßiges Artilleriefeuer und Geplänkel. Die Niederschläge in Tirol hörten gestern nachmittags auf; nachts trat aber wieder Schneefall ein, der noch anhält. Infolge des Föhns gehen fortwährend zahlreiche Lawinen ab; besonders schwere Unfälle ereigneten sich im Marmolata Gebiet und Calamentotal. Nach bisher vorliegenden Meldungen betragen die Verluste durch die Wetterkatastrophe seit 10.Dezember: 400 Tote, 340 Verletzte, 470 Vermisste.

Feind: Zwischen Salcano und dem Meer stehen jetzt in und hinter der Front 46 Brigaden (die fraglichen 4 nicht gerechnet). Von diesen Brigaden haben 23 an der letzten Schlacht teilgenommen, 11 standen damals hinter der Front und wurden nicht eingesetzt; 12 wurden seither von anderen Fronten herangezogen. In der letzten Schlacht standen im ganzen 30 Brigaden im Kampf; bei einem neuen Angriff sind fast ebenso viele frische Kräfte zu erwarten. - Die 51.ID. scheint aus dem bisherigen unteren Abschnitt Val Sugana hervorgegangen zu sein.

Nun beginnt es allmählich deutlicher zu werden, wie der neue Wind weht. Als Symptom wird angeführt, dass Oberst Mor-Merkl, der sich in Wien beim Kaiser melden zu müssen glaubte, von diesem äußerst ungnädig empfangen wurde. Dann das „Karlskreuz“, das sich wohl auch gegen die vermeintlichen Drückeberger des AOKs richtet. Über alle Gagisten besagten Kommandos wurde ein Verzeichnis abgefordert. Brougier soll auch eine dunkle Mitteilung gemacht haben, dass „einiges“ bevorstehe. Was braucht man noch mehr? „Bereit sein ist alles“, und dann gilt es „zu diesem Schritt sich heiter zu entschließen, und sei es mit Gefahr, ins Nichts dahinzufließen.“ - Mein armes Mitzchen ist schon ganz verzweifelt, weil ich nicht komme; ich kann aber nichts machen, muss noch bis 18. warten. Nachher kommt wohl, unmittelbar vor Weihnachten, kein Angriff mehr. - Zu meinen früheren Bemerkungen will ich nur beifügen, dass in dieser Sache mehrere Herren von uns (nomine…) eine sehr schäbige Rolle spielen. - Wie mir Kless erzählt, ist auch aus Äußerungen der Deutschen (Wallenberg) zu entnehmen, dass zwischen Kaiser und Conrad ernste Differenzen bestehen und dass man eine Regeneration des AOKs für wahrscheinlich hält.

Abendresümee: Schlechtes Wetter dauert fort; auch Voraussage schlecht. Andauernd große Verluste durch Lawinen: In Kärnten seit 11.12.: 637 Tote, 143 Verletzte; in der Marmolata allein bisher 80 Tote, 160 Verletzte.

In Rumänien wurde Buzeu genommen. An Rimnicu-Sarat sind die verbündeten Truppen von Westen her auf 10 km herangekommen. Vor der Dobrudzagruppe geht der Feind zurück; diese Gruppe hat circa 15 km Raum gewonnen.

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