Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
28.01.1917
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
28.1.1917

Bei Inspektion nichts Besonderes, man ist aber immer sehr verschlafen. Trotzdem zwinge ich mich zur Arbeit. Bespreche zuerst mit Hranilović die Möglichkeiten des Verbreitens falscher Nachrichten im In - und Ausland. - Dann ein Konzept Boroević, worin ihm gesagt wird, der feindliche Angriff an der Westfront wird für anfangs März oder Ende Februar erwartet. Verlässliche Nachrichten über den Zeitpunkt des nächsten Angriffes der Italiener liegen nicht vor; manche Anzeichen lassen aber vermuten, dass dieser Angriff nun nicht unmittelbar bevorsteht, sondern eher mehr oder weniger gleichzeitig mit der feindlichen Offensive an der Westfront erfolgen dürfte. „Trifft diese Vermutung zu, so haben wir zur Vervollständigung unserer Abwehrmaßnahmen an der für die Gesamtlage äußerst wichtigen, für die Monarchie wichtigsten Front, deren Verteidigung E.E. anvertraut ist, noch einige Wochen Zeit. Das AOK ist überzeugt, dass E.E. in voller Erkenntnis der Bedeutung des kommenden Kriegsabschnittes alles getan haben werden und noch tun werden, um unseren Waffen den Erfolg zu sichern und wird dazu - hauptsächlich durch weitere Vermehrung unserer maschinellen Kampfmittel - nach Kräften beitragen. Um für seine Maßnahmen eine sichere Grundlage zu gewinnen, erwartet das AOK über folgende Fragen ehestens einen eingehenden schriftlichen Bericht:

1) (Schlagwort) Beurteilung der Lage, Zeitpunkt, Angriffsraum, Kräfteverhältnis; Artillerie, Minenwerfer, Flieger; ist Munitionsdotierung ausreichend.

2) Widerstandsfähigkeit der 1. und 2. Stellung.

3.) Welche Ablösung in nächster Zeit beabsichtigt.

4.) Änderungen in der Kriegsgliederung zum Ordnen der Verbände.

5.) Ist Einsatz von Marschformationen vor der Schlacht beabsichtigt?

6.) Geist und Stimmung der Truppen.

Schließlich ist anzuführen, welche Maßnahmen im Rahmen unserer Mittel noch notwendig und zweckmäßig erachtet werden, um die Widerstandskraft der Armee für die bevorstehenden größeren Kämpfe auf das Höchste zu steigern.“ Zweck des Befehles: Wieder gründlichen Einblick in die Lage der Armee zu gewinnen und auch die Verantwortlichkeit festzunageln. Es darf nicht geschlafen werden, wie dies vor Luck der Fall war!

Nachmittags Mitzchen bei mir auf Namenstagsbesuch. Das arme Kind ist beleidigt, weil ich immer so hart bin. Auch heute ließ ich sie nicht in die Wohnung kommen; überdies entschlüpfte mir eine Bemerkung, es sei mir unangenehm, dass wir so gesehen wurden. Ach, der Krieg hat mich vielleicht wirklich ganz verändert. Der Krieg oder die Wucht der Jahre? Stünde ich allein, so ginge ich ja heute, da mir ein Ahasverlos nicht beschieden ist und mir auch die Kraft dazu fehlt, am liebsten spurlos von dieser Erde. Und dazu ist ja im Krieg Gelegenheit.

Abends Besprechungen mit Haberl, Intendant Malaverh und Schwenzner. Die Verpflegungsfrage scheint nun für Tirol in die richtigen Bahnen geleitet zu sein; auch sonst wird die Vorbereitung wieder klappen.

Wie ich von Schneider höre, finden jetzt Verhandlungen wegen des neuen Landsturmgesetzes statt. Dieses soll auf die 17 jährigen und die 50 - 55 jährigen greifen.

Beim Abendrapport alle Stücke (Direktiven Tirol und Boroević, Anforderung von deutscher Artillerie) durchgebracht.

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