Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
14.02.1917
Wählen Sie aus:
Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
14.2.1917

Heute kommt von Boroević eine Anzeige über mich: „Am 1.Februar laufenden Jahres hat sich Oberstleutnant Schneller bei mir gemeldet. Er sagte mir, dass er an die Front beordert sei, um die Bedürfnisse der Armee zu erfahren. Ich frug ihn, was er als Regimentskommandant dazu sagen würde, wenn der Brigadegeneralstabsoffizier ihm melden würde, er sei gekommen, um bei den Fahrkanonieren die Bedürfnisse des Regimentes zu erfahren." U.s.w. in diesem Ton. Ich lege die Sache gleich Metzger vor, der mir sagt, Boroević habe ganz dasselbe auch schon dem Chef mündlich erzählt, der ihm sagte, er solle das schriftlich melden. Der Chef hat ihm auch eröffnet, der Zweck der Entsendung sei, dass jemand beim AOK die Front kenne, damit nicht Befehle nur vom grünen Tisch aus ergehen.

In der Antwort an den Vertreter des Ministeriums des Äußeren über die Nachrichten aus Berlin sind p.d. die Gründe angeführt, die gegen einen baldigen Angriffsbeginn sprechen: 1) Der Befehl über die Winterruhe, 2) die Erteilung von Urlauben dauert fort. 3) Das italienische Rüstungsprogramm ist noch nicht durchgeführt. Vor allem ist die schwere Artillerie noch nicht komplett. 4) Gefangenenaussagen. (Von einem bevorstehenden Angriff nichts bekannt). 5) Keine Anzeichen an der Front. (Mäßige Artillerie - und Fliegertätigkeit, geringe Minenwerfer - und Patrouillentätigkeit, wenig Überläufer) . 6) Keine erhöhte Eisenbahnbewegung in letzter Zeit. 7) Auffallende Nachrichten aus diplomatischen Quellen über baldigen Angriffsbeginn. - Die Nachrichtenabteilung stimmte vollkommen bei und bemerkte, dass die Nachrichten über den Offensivebeginn im Februar aus den Quellen des deutschen Militärattachés von Bismarck in Bern stammen und den Eindruck einer sehr gelungenen Lancierung erwecken. Die Urlaube dauern in weitem Umfang bis 25.2.; Ende Februar ist auch der Abliefertermin für schwere Artillerie.

An der Front nichts von Bedeutung. Abends Besprechungen mit Haberl und Schwenzner, die hauptsächlich das Festhalten mit aller Energie an unseren Vorbereitungen betreffen. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass diese Energie manchenorts zu erlahmen beginnt. Wir hätten oder haben jetzt eine Verpflegs -, Kohlen -, Eisenbahnkrise. Im Anzug ist eigentlich auch eine Menschenkrise. Die bereitgestellten Marschformationen sind keineswegs ausreichend; die Maßnahmen Hazais dürften für die Frühjahrsschlachten kaum mehr zurechtkommen. Man scheint es bei uns noch nicht erfasst zu haben, dass jetzt wirklich die Entscheidungskämpfe kommen. Während die anderen fortwährend neue Formationen aufstellen, sind wir nicht einmal imstande, die bestehenden zu erhalten. Dabei haben wir etwa doppelt so viel „Enthobene“, wie das Deutsche Reich…

Abends sagt mir Metzger zur Anzeige Boroevićs, er werde mit der Erledigung warten, bis der Chef sich durch die Direktiven durchgebissen habe. Er (der Chef) scheint durch Boroević etwas kopfscheu gemacht worden zu sein; es besteht anscheinend noch immer die unbestimmte Angst vor einem baldigen plötzlichen Angriff der Italiener. Metzger lässt mich nicht im Zweifel, dass die Anzeige Boroevićs zu meinen Gunsten entschieden werden wird und dass er demnächst wieder jemand auf den Hals geschickt bekommt.

X
Tablet drehen