Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
18.02.1917
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
18.2.1917

Chef hat gestern angeordnet, dass Zusammenstellungen für alle Kriegsschauplätze über die voraussichtlichen Kräfteverhältnisse Mitte April zu machen sind. Da wird natürlich nichts Erfreuliches herauskommen; die Lösung des Missverhältnisses liegt aber immer wieder nur in einer Offensive. Untätigkeit ist unser Untergang. Wenn das nur alle klar sehen könnten!

Heute studiere ich weiter die Berichte der 11., 10. Armee und des Heeresgruppenkommandos auf die Anfragen Conrads über die Lage, Kräfteverhältnisse u.s.w. Die Anforderungen sind im Allgemeinen recht bescheiden: Für Tirol eine Gebirgsbrigade, für Kärnten - richtiger für die 10. Armee - 2 - 3 GebirgsbatailIone. Die Nachrichten über einen Beginn der italienischen Offensive am 20. Februar dauern noch immer fort. Einige Anzeichen deuten darauf hin, dass man auf einige Demonstrationen, vielleicht an der Fleimstal- und Kärntner Front gefasst sein muss; ich glaube aber nach wie vor fest an den durch Radios festgelegten späteren Angriffsbeginn.

Abends teilt mir Major Fleck plötzlich unvermittelt mit, Ludendorff habe Cramon gefragt, ob eine deutsche Division als Verstärkung der Isonzofront erwünscht sei. Dies sei aber nur eine ganz private, an mich ergangene Anfrage, damit ich mir die Sache zurechtlegen könne. Natürlich spreche ich trotzdem darüber mit Metzger und lege ihm Vor- und Nachteile eines Einverständnisses dar. Im Wesentlichen gibt es 2 Fälle: Entweder wir halten die Division als Reserve zurück; dann brauchen wir sie gegenwärtig und voraussichtlich auch in nächster Zeit nicht; oder wir setzen sie in die Front ein: Dann gibt es eine große, übrigens durchaus erwünschte Aufregung bei der italienischen Führung. Die Hauptfrage aber ist, ob wir um der einen Division willen die bisherige „Deutschenreinheit“ der küstenländischen Front aufgeben wollen; Vielleicht kann es sich für die Deutschen ja nur darum handeln, zu sagen, dass sie „auch dabei“ sind. Metzger sagt mir, er werde demnächst eine Anfrage an die Oberste Kriegsleitung ausarbeiten, die folgenden Gedankengang hat: Die Vermehrung der Streitkräfte unserer Feinde, deren Absichten, Angriffsbeginn und Hauptstreckenstellen sind uns bekannt. Wir können daher jetzt den Entschluss fassen, ob wir bloß passiv bleiben oder etwas Positives unternehmen. Tatsächlich ist es Zeit, namentlich an der Südwestfront, zu wissen, was beabsichtigt ist; denn die Vorbereitungen sind grundverschieden, wenn es den Angriff aus Tirol oder die reine Defensive gilt.

Abends ist Cramon beim Chef, vermutlich auch, um das Angebot der einen Division zu machen.

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