Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
27.02.1917
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
27.2.1917

Vormittags arbeite ich an den Weisungen für die 5. Armee auf Grund ihres Schlagfertigkeitsberichtes und Ablösungsplan. In diese Erledigung wird auch die Vereinheitlichung des Kommandos auf der Karsthochfläche aufgenommen. Werde den Befehl, wenn er vom Rapport zurückkommt, nachtragen.

Nachmittags höre ich (und zwar von Fischer!), dass die größten Veränderungen bevorstehen. Erzherzog Eugen soll Kommandant der Südwestfront, Conrad Landesverteidigungskommandant von Tirol, Arz Chef des Generalstabes werden - oder richtiger: schon geworden sein. Ist dies wahr, so kann man sagen, dass die dunkeln Mächte gesiegt haben. Der Zeitpunkt für diese Veränderungen dürfte nicht unglücklicher gewählt worden sein. Der junge Kaiser hat eben keine Ahnung von dem Getriebe, das der Chef zu beherrschen hat, und auch davon, was 3 Jahre Kriegserfahrung in der Obersten Führung bedeuten! Große Schlachten, vielleicht die Entscheidungskämpfe stehen bevor - und in diesem Augenblick gibt man den fähigsten Mann, den die Monarchie hat, kurzweg auf... Nun, Conrad ist schon einmal auf den Posten des Chefs des Generalstabes zurückgerufen worden - vielleicht geschieht dies auch noch ein zweites Mal. Vorläufig ist der Krieg ja doch noch nicht gewonnen...

Die Sache scheint wahr zu sein; denn abends sagt mir Metzger, „er habe Gründe“, die von mir entworfenen Direktiven erst in etwa 2 - 3 Tagen vorzulegen; ich möchte daher vorher das Einvernehmen mit den betroffenen Stellen und Lieferanten pflegen.

An der Front keine größeren Ereignisse. Gestern wurde von der 5. Armee Einschießen der feindlichen Artillerie gegen die nördlichen Korpsabschnitte gemeldet. Heute keine nennenswerte Gefechtstätigkeit. Im Marmolatagebiet ein gelungener Feuerüberfall auf die feindliche Ombrettastellung.

Abends höre ich weiter das Gras wachsen. Es wächst sehr laut bei uns. Adam erzählt mir, dass der Chef jede andere Verwendung abgelehnt hat. Das kennzeichnet den Mann; er kann nur der Erste sein. Und wer hat das gemacht: 1) Marterer; 2) die Tratschen aus der Umgebung des Chefs (Muster Jacobich und Konsorten), 3) die klerikale Clique (contra Reininghaus) 4) sein gerades, undiplomatisches Wesen, das der an Cäsarenwahn leidende junge Kaiser nicht verträgt. - Cramon erhielt gestern bei einer Audienz Mitteilung. Im großen Hauptquartier große Bestürzung. Sie wird auch noch anderwärts kommen. Und unser Hinterland verträgt nicht mehr viel Erschütterungen! Übrigens: Man hat den Chef schon einmal zurückgerufen; gebe Gott, dass es nicht ein zweites Mal nötig wird. Dann würde er übrigens auch kaum mehr kommen. - Selbstverständlich kommt nun auch bei uns das große Reinemachen. Die Mäuse werden das sinkende Schiff verlassen. - Zum Teil sehr unfreiwillig, und prosit für das Frühjahr! - Noch ein interessantes Detail erzählt man sich. Der Kaiser soll die Mitteilung nicht selbst an Conrad gemacht, sondern dieses Amt dem Erzherzog Friedrich übertragen haben.

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