Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
09.03.1917
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
9.3.1917

Die Frage der Geschichtsschreibung des italienischen Krieges wird immer brennender. Hoen wird daher bezüglich der befohlenen kurzen Darstellung bis zur 2. Isonzoschlacht urgiert. Bei den Besprechungen über die Beistellung von Generalstabsoffizieren für diese Sache erfahre ich in der Detailabteilung, dass Kundmann jeder Geschichtsschreibung, in der eventuell eine Verwertung des Materiales Conrads in Frage kommt, Widerstand entgegensetzt. Dieses Material befindet sich nämlich vorderhand im Besitze Kundmanns und er hat offenbar die Absicht diese Memoiren dereinst herauszugeben. Wie ich höre, befindet sich darunter das allerwertvollste historische Material; vor allem die Besprechungen Conrads mit dem Kaiser. Es bleibt abzuwarten, ob man Conrad dieses Material, das zum Teil auch dienstlichen Charakter haben dürfte, belassen wird. Ich muss nur vom I-Standpunkt darauf dringen, dass die I-Geschichte bald geschrieben wird. Gottlob ist in unseren Akten überall der ganze Werdegang ersichtlich.

Unsere Anforderungen zur Verstärkung der Südwestfront wurden vom GHQ an Obost weitergegeben. Als erste Frucht fällt uns das Lst.I.R.1 in den Schoß, das schon heute zum Abtransport angemeldet ist. Statt der 2 angeforderten einzelnen Heeresbataillone der 20.HITD, die sich an besonders wichtigen Frontteilen befinden, dürfte ein Jg.Baon 31 (6 Kp.) angeboten werden. Die Abgabe einer schlagkräftigen ITD ist Obost nicht möglich; die beabsichtigte Herausziehung mehrerer ITD der Obost sei nicht eine Folge vorhandener Kräfte, sondern hat lediglich die Bildung der bei den zu erwartenden russischen Angriffen für die Festigkeit der Ostfront unentbehrlichen Reserven zum Zweck. Fleischmann bemerkt: Die deutsche Oberste Heeresleitung dürfte in diesem Sinne an AOK herantreten. - Nun, es bleibt doch noch abzuwarten, was die OKL selbst sagt. In letzter Zeit hat sie sich wiederholt um die Feindsituation bei uns erkundigt. - Arz soll heute nach Kreuznach fahren. Daher fieberhafte Orientierung für uns in der I-Offensive.

An der Front wenig Neues. Im Gebirge, namentlich in Kärnten, wieder große Lawinengefahr und auch ziemliche Verluste durch Lawinen. - Boroević hat auf den Befehl des AOKs sich von der Notwendigkeit einer Ablösung der 43.LITD zu überzeugen und nötigenfalls einzugreifen, oder auszuhelfen, „bereits verfügt“, dass diese Division durch die 14. (bisherige - AOK Reserve) abgelöst wird, und zwar Beginn am 13. März. - Wir haben dann zunächst 2 wenig schlagkräftige Divisionen, die unvollständige 9. und die hergenommene 43. als AOK-Reserven. Da wird „Körner“ amtieren müssen, um aus diesen Heereskörpern das Möglichste herauszubringen. - Heute nachmittags Höfer (Minister) beim Kaiser in Audienz. - Die hiesige neue Maschine arbeitet vorläufig naturgemäß noch langsam. Habe auch den Eindruck, dass es mit dem ganzen Staatskarren so geht. Eine Menge neuer Ämter, keine neuen Leistungen. überhaupt ist mein heutiges Gefühl für den Ausgang der ganzen Sache (und der Mensch unterliegt solchen Stimmungen) kein gutes. Heute stehe ich unter dem Eindruck, dass nun bald die ganze Welt und dies wörtlich genommen, gegen uns sein wird. Die nächsten 2 großen Faktoren sind Amerika (und zwar nicht die Union allein) und China. Wenn der U - Boot Krieg nicht bis Mai entscheidend wirkt, ist die Lage nicht gut. Wir bleiben (leider!) überall in der Abwehr und sind überall bedeutend schwächer. Im Inneren sind wir speziell, ich meine die Monarchie, sehr schwach. Schwach und impotent.

Genug; ich muss auf bessere Stimmung hoffen. Vielleicht ist die heutige wegen der Inspektion, die einem jedes Mal lästiger wird, so schlecht. -

Standesverhältnisse der Südwestfront am 1. März:

5.    :     142.000

10.  :       32.000                  278.000 Gewehre, 2663 MG., 3050 Geschütze,

HG. :      104.000                 gegen 49.000 Marschformationen

Abends erzählt mir Fischer das Gerücht, dass sich Erzherzog Eugen krank gemeldet habe. Er will von Bozen nicht weg. Trifft dies zu, so kann noch Conrad die Südwestfront bekommen und Eugen in die Grube, die er einem anderen gegraben hatte, selbst hinein fällt.

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