Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
23.03.1917
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
23.3.1917

Vormittags erhebe ich bei Waldstätten nochmals Vorstellungen wegen der 2 Jägerbataillone. Er widerholt immer wieder, dass Boroević und Körner ihn versichert hätten, es seien genug Truppen da. Ich erinnere eindringlichst daran, dass die Entscheidung des österreichischen Krieges auf dem italienischen Kriegsschauplatz fallen wird; erleben wir dort eine Niederlage, so kommt die ganze Führung sofort automatisch in deutsche Hände. Er bleibt aber bei seinen Besorgnissen für die 7. Armee und lässt die beiden Bataillone dorthin schieben. Nun auf 2.000 Gewehre kommt es mir nicht an, wohl aber auf die Einhaltung des Prinzips, immer österreichisch-ungarische Kräfte auf den italienischen Kriegsschauplatz zu ziehen, damit keine Deutschen notwendig sind. Die 106.ITD wird im Raum Idria - Schwarzenberg - Hotederschitz versammelt werden. Das ist gut. Sie ist dort eigentlich für alle Korps zur Hand. Dieser Versammlungsraum lässt aber auch erkennen, dass man für das Plateau doch schon eine gewisse Sicherheit hat, dagegen eher um das XVI. Korps besorgt ist.

Aus Russland liegen derart (für uns!) erfreuliche Nachrichten vor, dass mich Waldstätten beauftragt, ein Kalkül für den Fall auszuarbeiten, dass ein Waffenstillstand oder Separatfrieden mit Russland zustande käme und „unbegrenzte Kräfte“ für den Aufmarsch gegen Italien zur Verfügung stünden. Waldstätten meint, das Ganze brauche nur ein „Phantasiegemälde“ zu sein, für „Nichtfachleute“ wie der Kaiser. Gegen eine solche Arbeit muss ich mich natürlich verwahren. Ich erkläre sofort von wien vielen Umständen (Versorgung, Artillerieaufmarsch, Eisenbahnverhältnissen) eine solche Bewegung heute abhängig ist, und dass es nicht einfach angeht, mit der normalen Leistungsfähigkeit der Bahn und der Zahl der Divisionen zu rechnen. Übrigens ist ein gründliches Kalkül keine wesentlich größere Arbeit als ein schlampiges. In Tirol spielt ja auch die Notwendigkeit, Gebirgstruppen zu verwenden, dann die Formierung der Gebirgstrains eine große Rolle. Nun die Sache wird gemacht werden; übrigens ist der Rahmen dafür, ja schon in unserer Denkschrift und den sonstigen Arbeiten vorhanden, nur wurde dort immer damit gerechnet, dass der Materialaufmarsch langsam vorbereitet wird und dann bloß die Truppenzuschübe übrig bleiben. Leider aber hat Waldstätten nicht nur die Materialzuschübe fast ganz einstellen lassen, sondern sogar das von Zeynek verlangte Verzehren der Vorräte bewilligt. - Der Gedanke an einen baldigen Abschluss des Krieges scheint übrigens schon ernstlich Fuß gefasst zu haben, denn auch Metzger lässt mich rufen, erkundigt sich um die von uns anzustrebenden Grenzberichtigungen und beauftragt mich über eine solche auch im Raume von Cividale nachzudenken.

Wieder einmal Inspektion. Wenn nicht die letzte, so doch die vorletzte.

Kundmann sagte mir gegen Abend, man wird mich zuerst als Gruppenkommandant in Siebenbürgen einteilen, bis ein Korps frei wird. Schilhawsky ist einberufen, hat aber noch zu übergeben. Nachmittags habe ich einen Referatsbogen „zur Frage eines Aufmarsches gegen Italien im Falle des Freiwerdens starker österreichisch-ungarischer Kräfte an der Ostfront“ ausgearbeitet. Waldstätten hat aber nie Zeit. Um 8 Uhr schreit er „Essen gehen“ und hört und sieht nichts mehr. (Durchschlag des Referates kommt ins Archiv. Hoffe aber dieses doch noch zu retten.) Finde nach dem Nachtmahl dennoch Zeit, mit Waldstätten über das erwähnte Referat zu sprechen. Er findet es kurz und klar; wird es Arz vorlegen. Nachts schreibe ich bis gegen 1 Uhr an Briefen, darunter auch an Ginzkey, dem ich einige Gedichte abklopfe, eventuell für „Donauland“.

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