Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
04.04.1917
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
4.4.1917

An der russischen Front eine größere Unternehmung. Ein von den Russen gehaltener Brückenkopf am Stochod, 7 km breit, 2 km tief wurde vom Korps Hauer, und zwar größtenteils von deutschen Truppen genommen. Dabei 10.000 Gefangene, 100 MG., 25 Geschütze u.s.w. erbeutet. Es scheint, dass sich die Russen nicht so wie früher geschlagen haben. Natürlich bleibt die Frage offen, wie das auf die Friedensströmungen wirkt. Nur zu leicht kann eine größere Tätigkeit von unserer oder deutscher Seite die Partei der Kriegsfreunde stärken; und zwar umso eher, als die Kriegsstimmungen ohnehin in der Erklärung des Kriegszustandes seitens Wilson's eine gewisse Stütze bekommen haben dürften. - Sehr bezeichnend ist eine scharfe deutsche Pressestimme (Deutsche Tageszeitung) gegen das „Interview“ Czernins. Es heißt darin, seine Darlegungen haben durchwegs den Charakter eines Werbens um Wohlwollen bei unseren Feinden. Es sei grundsätzlich unrichtig, ja unbegreiflich, von vornherein auf eine allgemeine Friedenskonferenz hinzuarbeiten. Um eine gesicherte und ungestörte Entwickelung der Mittelmächte zu erreichen, müsse der Abschluss ein siegreicher sein, wie dies der Deutsche Kaiser in seiner Depesche an den Reichskanzler aussprach. Ich habe auch schon seit längerem das Gefühl, dass Czernin, beeinflusst oder beauftragt von unserem Kaiser, in einem gefährlichen Friedenswasser treibt, das den ganzen Frieden noch verschlingen wird. - Heute nachmittags Kaiser mit Gefolge von Homburg zurückgekommen. Höre vorläufig gar nichts über die Besprechungen und Abmachungen. Nur Kageneck erwähnt, dass Czernin bezüglich Russlands sehr optimistisch sei. Die jetzige Lage zeigt wieder, wie schwer es ist, im Kriege klar zu sehen. Auf feindlicher Seite bei einem Gegner eine große revolutionäre Bewegung (Russland); französisches Menschenmaterial an der Neige; in Italien bedenkliche innere Strömungen und große wirtschaftliche Schwierigkeiten; dafür ein neuer Kriegerstaat (Amerika) auf dem Kampfplatz. Andererseits bei uns, den Mittelmächten, anscheinend eine ziemlich festgefügte Ordnung, in Wirklichkeit aber auch die schwersten Nahrungssorgen! Speziell unsere Armee ist schon infolge des Pferdemangels nicht mehr operationsfähig. Und überall „unter der Oberfläche“ die revolutionären Stimmungen und Strömungen einer neuen Zeit gegen das autokratische Regime! - Mit welchen Gefühlen werde ich diese Aufzeichnungen einmal lesen, wenn die Zeit die großen Rätsel der jetzigen Augenblicke gelöst haben wird, wenn diese Tagebüchlein Geschichte sind. Vorausgesetzt, dass es mir gelingt, sie ins Trockene zu bringen!

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