Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
15.06.1918
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
15.6.1918

Nacht in der feuchtkalten Kasematte verhältnismäßig gut verschlafen. Das heißt: Um ½ 3 Uhr Tagwache. Um 3 Uhr geht es los. Gebe die Eindrücke wieder, wie ich sie mir aufzeichnete. Feuereröffnung ziemlich ungleichzeitig, keineswegs schlagartig; östlich von uns um circa 4 – 5I früher.

Eindruck des Feuers nicht sehr gewaltig; mit dem Isonzo kein Vergleich. Unter uns ein dichtes Nebelmeer. Erst 4 Uhr kommen die Tonezzaspitzen langsam heraus. Nach Mitteilung des III.KK. werden die Barco-Batterien sehr unangenehm. Dorthin werden unsere Fernkampfgruppen gelenkt. Spitzmüller hier, erzählt einiges von der „Lawine“; diese soll vorläufig eingestellt sein. Der Kaiser; der übrigens elend aussieht, habe gesagt, als er den Ausgang erfuhr, er will keine unnützen Verluste. Daran hätten seine Ratgeber früher denken sollen. Um 530 soll die Angriffstäuschung einsetzen. Man merkt nur wenig davon. Eindruck, dass Artillerie mit Munition spart, entweder weil sie zu wenig hat oder weil sie nicht ins Blinde schießen will.

630 Sicht etwas besser, sogar Sonnenschein, aber nur von kurzer Dauer. Wir sehen wenigstens Cimone, Seluggio, ja sogar, wenn auch verschwommen Cengio - Summano; von den Sieben Gemeinden gar nichts. - 710 Sicht wieder miserabel. Sonne ringt mit den Nebeln. Gasüberfälle durch lebhaftes Feuer zu merken.

730 Schlussvorbereitung soll beginnen, ist aber sehr matt. Bald nach dem Sturm, 740, tritt fast vollständige Ruhe ein.

845 Bericht unseres Verbindungsoffiziers (Okolicsányi), Lage sei noch nicht geklärt; beim XIII. hat 16. und 52. die erste feindliche Stellung durchstoßen. 915 am Nordhang Lemerle sollen weiße Raketen gesehen worden sein. Eine verlässliche Meldung über III. liegt nicht vor. - 940 Mitteilung, dass 6. Armee Piave in 2 km Tiefe überschritten hat. 6. ID habe Linie Sculazzon - Nordhang Lemerle erreicht (Mitteilung 21.FA Brig.). - Vom K.K. Mitteilung, italienische Heeresleitung habe an sämtliche Fliegergeschwader Befehl erteilt: „Gemäß Op.Nr. x. los!“

950 Anfrage bei III., wann Zerstörungsfeuer auf Belmonte zu legen ist. - 1020 Mitteilung von 11., Angriff vorläufig planmäßig. - 1033 von 159.I.Brig. XIII. habe die ersten 2 Stellungen genommen; außerdem seien Solarolo und Montello genommen.

1035 Pertica sei genommen; Feind räume Col Moschin und Sugana Stellung. Dies von Okolicsányi. Dieser meldet weiter: Wo 6.ID., ist nicht bekannt; XIV. möge langsames Feuer auf Belmonte legen, der auch von der Artillerie der 6. beschossen wird. (Wird sogleich durchgeführt). 1050 Okolicsányi: Infanterie des III. Korps erreicht Höhe südwestlich Cesuna; weiße Raketen seien auf Südhang Lemerle sichtbar. - 1055 unser Feuer liegt gemäß des Wunsches des Nachbarn auf Mosca - Belmonte. Dies bleibt so längere Zeit; natürlich flaut das Feuer ab. - Über die Lage ist keine Klarheit zu gewinnen. Sicht andauernd sehr schlecht. Daher nach dem Mittagessen Entschluss, den Gefechtsstandpunkt zu verlassen. Vor dem Abgehen noch Bitte des III.Korps Feuer gegen Belmonte einzustellen. Merkwürdige Ruhe. Abmarsch in dichtem Nebel auf der vorderen Werkstraße circa 315, an Folgaria 4 Uhr. - Suttner hat den anscheinend begründeten Eindruck, dass Hauptangriff XIII nicht vorwärts geht. Die beiden vorderen Divisionen dieses Korps, die beiderseits der Straße vorgingen, wurden sogar etwas zurückgedrückt. Eine Reserve Division soll eingesetzt werden. - Über III. ist keine Klarheit zu gewinnen. - Auf meine Anfrage über die Lage 5 Uhr meldet 40.FA.Brig., dass vollkommene Ruhe herrsche; auch die Novegnobatterie schießt nicht. Das Brigadekommando hat sich schon an die 159.I.Brig. mit der Frage gewendet, ob denn die vordere feindliche Linie noch besetzt sei. - Lage ist wirklich ganz unklar. Anfänglich konnte man geneigt sein, anzunehmen, dass das Aussetzen jeglichen Kampflärmes auf die gute Wirkung unseres Gasschießens (das aber dazu doch zu langsam war) und auf eine Panik bei den Italienern zurückzuführen sei; jetzt scheint es aber, dass die feindliche Führung nach einem wohl durchdachten Plan handelt, die ersten Linien räumt und uns dann in rückwärtigen entweder erwartet oder zum Gegenangriff vorgeht. - 600 Uhr von Okolicsányi die Meldung, dass ein feindlicher Gegenangriff das XIII. bis über die Ausgangsstellung südlich Asiago zurückgedrängt hat. – Beim Nachtmahl 830 eine Mitteilung vom III.Korps, dass die Lage bei der 52.Division noch nicht bekannt ist; kurz darauf Mitteilung des Generalmajors Augustin (21.FA.Brig.), nach welcher die Linie des III.Korps viel weiter rückwärts verläuft (hinter der Ghelpachschlucht). Ich dränge immer darauf, dass wir klar erfahren, welche Aufgabe unsere Artillerie zu lösen hat. - Schmutzer teilt mir mit, dass wir wahrscheinlich fast die ganze schwere und mittlere Artillerie der „Lawine“ bekommen; worauf ich ihm wohl sagen muss, die hätte schon gestern da sein sollen. - Aus den Aussagen eines gefangenen englischen Offiziers geht hervor, dass der Feind unseren Angriff in der vergangenen Nacht erwartet hat. - 10 Uhr abends: Das Schlamassel des III. und XIII. Korps zeigt sich nach und nach in seiner ganzen Größe. Das III. Korps war anfänglich ganz gut vorwärts gekommen (Sculazzon, Cesuna, Lemerle Nordhang); beim XIII. aber wurde die 38 ID. durch wohl vorbereiteten Gegenangriff der Franzosen und Engländer bis über ihre Ausgangsstellung zurückgeworfen; die aus der Reserve vorgezogene 74.ID. kam zu spät und konnte das Schicksal der Hauptangriffsgruppe nicht mehr wenden. Dieses Ereignis beim XIII. Korps bedingte auch die Zurücknahme des III. in die ursprüngliche Linie. Verbände sollen sehr durcheinander gekommen sein. Unsere Artillerie Vorbereitung, auch Gasschießen, hat nur geringe Wirkung gehabt. Ich habe den Eindruck, dass die ganze Offensive wegen unzureichender Vorbereitung vollständig gescheitert ist.

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