Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
16.06.1918
Wählen Sie aus:
Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
16.6.1918

Um 1 Uhr nachts weckt mich Suttner, der Inspektion hat, und zeigt mir ein Telegramm der 10.Armee mit der Gesamtlage der 11. Aus diesem Telegramm geht hervor, dass unser Angriff nach anfänglichem Erfolg an der ganzen Front auf einen wohl vorbereiteten, mächtigen Gegenangriff gestoßen ist, dem unsere Führung in keiner Weise gewachsen war. Am schwersten scheint die Niederlage der Hauptangriffsgruppe des XIII. Korps gewesen zu sein. In diese Niederlage war bald auch das III.Korps verwickelt, dass die ganze 28.ID, auf die beiden anderen verteilt, in der Front eingesetzt hat. Das VI. Korps behauptete gestern noch seinen Erfolg, besonders die Cima Ecker. - Besonders empfindlich scheint das Schlamassel des XXVI. gewesen zu sein, das wieder ganz in seine Ausgangsstellung zurück musste. - Die Erfolge weiter östlich kommen kaum in Betracht. Alles in allem ist die Lage sehr kritisch, und dies weniger noch militärisch als politisch! Es war wirklich ein Entscheidungskampf für unsere Armee und für die Monarchie. An eine Erneuerung oder Fortsetzung des Angriffes glaube ich nicht, obwohl noch ziemlich starke höhere Reserven vorhanden sein müssen. Es fehlt an Artillerie, an Vorbereitung überhaupt und vor allem an dem nötigen Schwung und wohl auch am Vertrauen in diese Führung, die nun gründlich abgewirtschaftet haben dürfte. - Das 11. AK. hat gestern als seine vorläufige Absicht bezeichnet: Monte Melago – Cima Ecker zu halten, wobei die Front des XIII. Korps (nahe östlich der Straße Pennar - Turcio) anschließen soll. Die endgültige Absicht sollte nach Einlangen der von den Korps abverlangten Meldungen über den Zustand der Truppen noch gestern gemeldet werden.

10 Uhr vorm. spreche ich mit Okolicsányi; derselbe teilt mir mit, dass jetzt General Weber (!) beim III.KK. sei. Gestern bestand noch die Absicht den Angriff morgen unter Einsatz der herandirigierten Kavalleriedivisionen zu erneuern. Ich halte das für einen großen Unsinn. Truppen, die so etwas erlebt haben, gehen jetzt im 4. Kriegsjahr nicht ohne weiteres sogleich wieder an. Vormittags orientiere ich die Offiziere der Stäbe über die Lage und treffe die ersten Anordnungen zum Abbau unserer Aktion. Zunächst nehmen wir die 3 KJg Kompagnien, die nördlich der Pässe stehen, nach Folgaria, um eine Korpsreserve zu haben. Es ist ja nicht ausgeschlossen, dass die Italiener, auch bei uns, auf den Geschmack kommen; unsere Schwäche würde es ihnen erlauben. - Bis 5 Uhr nachm. keine wesentlichen neuen Nachrichten; nur die, dass die Truppen des III.Korps sehr ermüdet sind. Siménfalvy stellt mir aber einen Befehl in Aussicht, der heute mit Spezialkurier kommen soll. Überdies ist jetzt eine Sitzung beim 10.AK. Über das, was nun geschehen soll.

Nach dem abends eintreffenden Pressebericht ist die Heeresgruppe Boroević über die Piave gekommen.

In der Meldung über die heutige Morgenlage heißt es (das erfahre ich vom AK.), die gestern erreichten Erfolge wurden festgehalten. Der Montello soll in unserer Hand sein. Dies wird auch durch ein neues kommendes Telegramm bestätigt. Allerdings scheinen wir bei Nervesa etwas Terrain verloren zu haben. Feindliche Bombengeschwader hindern den Brückenschlag. Wie weit wir an der unteren Piave sind, ist aus den uns vorliegenden Nachrichten nicht bekannt. Jedenfalls aber ist es sehr wahrscheinlich, dass die Entscheidung der gegenwärtigen großen Kämpfe doch an der Piave fallen wird; daher auch wahrscheinlich das Nachlassen der Kampftätigkeit gegenüber unserer 11. Armee.

X
Tablet drehen