Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
25.03.1915
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
25.3.1915

Gegen 11 Uhr Vormittag von Krobatin empfangen. Er teilt mir im Wesentlichen mit: Unsere Ablehnung des italienischen grundsätzlichen Vorschlages einer prinzipiellen sofortigen Abtretung hat die Italiener misstrauisch gemacht. Nach Mitteilung Buriáns sei dieses Misstrauen aber jetzt behoben. Burián hoffe, Italien werde nun selbst einen Vorschlag machen; übrigens hat er auch eine Karte bereit, in der die Sprachengrenze im Allgemeinen die Grenze bildet. Eine weitere Karte hat auch Bolfras, den ich unbedingt aufsuchen müsse; er sei Tiroler und kenne die Verhältnisse sehr gut. - Brief vom Chef übergeben; Minister sagt, es sei eine schwere Verantwortung, die er und Chef nun auf sich nehmen müsse, ein Land abzutreten, ohne durch den Krieg direkt dazu gezwungen worden zu sein. Territorialfrage ist außer im Prinzip einer Zusage überhaupt noch nicht berührt worden. Angebot dürfte sich der Sprachengrenze nähern; es besteht aber nicht die Absicht das Nationalitätenprinzip und die Sprachengrenze in den Vordergrund. zu rücken. Bei der Besprechung, bei welcher ein Vertreter der k.k. Regierung teilnehmen wird, werden Varianten aufgestellt werden.

Im Kriegsministerium gehe ich noch zu Exzellenz Urban, der über alte und kommende Zeit spricht. Er sagt, wir leiden viel unter der Phantasie und müssten zur preußischen, richtiger deutschen Realität übergehen. Er ist sehr nett und lobt sein altes Büro. - Sodann Fahrt ins Ministerium des Äußern. Zuerst spreche ich mit Graf Hoyos, der aber über das Meritum der Sache ganz unorientiert ist; nebenbei sehr hochnasig, was ich mit der gleichen Münze vergelte. Er übergibt den Brief Conrads an Burián, dieser selbst empfängt mich nicht, sondern weist mich an Exc. Gesandten Pogatscher, der mit der Leitung der Verhandlungen betraut sein soll. Dieser wieder ist gerade ins Kriegsministerium gefahren, sodass ich warten muss; es wird 1h, unterdessen spreche ich mit Musulin, der mich immer zum Pessimismus ausholen will, was ihm natürlich nicht gelingt. Ich sage ihm, von einem Durchbruch in den Karpaten sei nicht die Rede, die Przemyśler Belagerungsarmee sei nur schwach gewesen, von ihr nichts zu fürchten. - Weiters spreche ich mit Pogatscher und erfahre im Wesentlichen folgendes: Weder von italienischer, noch von unserer Seite wurde bisher ein Angebot gemacht. Unsererseits wurde lediglich gesagt, dass wir bereit seien, die Gebietsfrage in die Verhandlungen einzubeziehen. Es werde nun eine interne Verhandlungskommission geschaffen, bestehend aus Pogatscher, einem Vertreter der k.k. Regierung und mir. Wir werden gewissermaßen intern alle Eventualitäten festzustellen haben; jedenfalls einen Minimalvorschlag. Ich erkläre nun die verschiedenen militärischen Möglichkeiten, die übrigens vollem Verständnis begegnen. Entnehme den Reden Pogatschers, dass die Sprachengrenze zwar nicht ausdrücklich genannt wird, aber doch die allgemeine Grundlage bilden wird, mit einem „lächerlichen" Vorschlage könne man nicht herantreten. Ich lege nun dar, dass unser Minimum etwa im Westen mit der Nordgrenze der Bezirkshauptmannschft Tione beginne, Madonna di Campiglio anschließen; dann anschließend Bezirkshauptmannschft Mezzolombardo, südlich Salurn, einschließlich Bezirkshauptmannschft Cavalese. Im Minimalvorschlag will ich auch das Primör inbegriffen haben. Abtretungen im Ampezzotal wären unbedingt zu vermeiden. Ich entnehme den ziemlich gewundenen Reden von Pogatscher, dass möglicherweise auch Abtretungen an der Friaulischen Grenze in Frage kommen könnten; sage aber gleich, dass es der Verhandlungstaktik gelingen müsse, diese Frage überhaupt möglichst hinauszuschieben. - Ob Regierungsvertreter noch heute designiert werden oder erst morgen ist nicht sicher; ich bin auf morgen 11h zu Pogatscher bestellt. Gebe den Inhalt meiner Wahrnehmung mit Hughes vom K.M. nach Teschen. - Bekomme abends Auftrag, mich auch bei Bolfras zu melden. Chef ruft mir besonders in Erinnerung, dass nicht von einer Abtretung Südtirols, sondern nur vom Trentino die Rede sein solle.

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