Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
04.05.1916
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
4.5.1916

Gestern schon bekam ich ein Telegramm Rohrscheidts in die Hand, das ich heute dechiffriere, so gut es geht. Es enthält unter anderem die interessante Meldung, dass jemand, vermutlich der Generalstabschef des 11.AK. Rohrscheidt am 1 Mai gesagt habe, der Angriff werde jetzt sehr schwer sein. Diese Ansicht wurde Rohrscheidt, soviel sich entnehmen lässt, auch von anderer Seite bestätigt. Zum Schluss ist gesagt, dass es jetzt noch Zeit sei: vermutlich dazu, die ganze Sache aufzugeben oder Kräfte abzuziehen. Natürlich geht dies zur Aufklärung an das 11. AK. - und siehe! Beim Mittagsrapport sagt Metzger: Da haben wir es; jetzt wissen wir, warum Cramon heute hier war und Kräfte für die Vogesen haben wollte (die ihm der Chef natürlich abschlug). Metzger sagt, die Sache sei sehr ernst und man wird eventuell die Konsequenzen ziehen müssen, zumal aus diesem Telegramm auf die geringe Zuversicht seitens des Generals Pichler geschlossen werden kann – vorausgesetzt, dass er (woran ich nicht zweifle) der Informator Rohrscheidts ist. Nun, wir werden ja bald sehen. Nach den Morgenmeldungen: Die Lage im Adamellogebiet stabilisiert. Auf der Hochfläche von Lafraun wirkt unser Minenwerfer mit Erfolg gegen die feindlichen Stellungen gegenüber dem Werk Lusern. Gegen Tolmeiner Brückenkopf gestern mehrere heftige feindliche Feuerüberfälle. Unser Landflieger belegte die italienischen Lager bei Villesse mit 20 Bomben, ein Seeflugzeuggeschwader griff Ravenna an. Ein feindliches Luftschiff bei Görz in Brand geschossen. Wetter: Schön, wärmer, Schneehöhen in den Angriffsabschnitten: VIII.Korps 15 - 30 cm, 110 (letztere Zahlen Coè und Durer, wo offenbar auf Befehl wenig angriffslustiger Kommandanten), III. 0.- 25. Im allgemeinen rascher Rückgang sichtbar. - Der Abend ist einer der kritischsten und traurigsten in diesem ganze Kriege. Das Heeresgruppenkommando meldet um 725nm.: „11.AK. meldet: Der Angriffsbeginn wird - kein Wetterrückschlag vorausgesetzt - für den 17. Mai in Aussicht genommen.“ - Bald darauf kommt auch die Meldung, dass die Untersuchung wegen der Äußerungen gegenüber Rohrscheidt vorläufig negativ geblieben ist. Bespreche diese 2 Sachen eingehend mit Metzger. Wie die Leute gerade auf dieses, überdies verklausulierte Datum gekommen sind, ist ganz unbegreiflich; denn wie kann ich heute sagen: Gerade in 13 Tagen greife ich an? Es macht eben den Eindruck, dass überhaupt die Zuversicht unten schon ganz abhanden gekommen ist und nun eine geschlossene Phalanx trachtet, die Sache so lange hinauszuschieben, bis sie sagen können: Nun geht es überhaupt nicht mehr… Nun, das Heeresgruppenkommando erhält Befehl, sofort telegraphisch zu melden, ob die Chiffre für das Datum 17.Mai richtig ist; wenn ja: Die Gründe für diesen dem AOK nicht erklärlichen Aufschub und seine Stellungnahme. Dies erfolgt prompt um 10 Uhr: Das Datum ist richtig. Die Gründe liegen nun in den durch 3 Generalstabsoffiziere des 11. AK. und den Oberst Salis erneuert rekognoszierten Schneeverhältnissen; das Heeresgruppenkommando ist unter diesen Verhältnissen einverstanden. - Wegen der Äußerungen gegenüber Rohrscheidt werden wir nun deutlich und geben den betreffenden Teil des Telegrammes bekannt, nicht ohne die deutliche Frage, ob diese wenig Zuversicht verratenden Äußerungen eine beim AK. bestehende Auffassung wiedergeben - Das Ganze spitzt sich auf die Frage zu, ob Chef hinunter fahren soll oder nicht. Metzger ist dafür, Kundmann dagegen. Im Grunde hat Metzger bei der jetzigen verzwickten Lage doch Recht; denn der Entschluss zum Angriff kann - schon vor dem Urteil der Geschichte - nicht hier gefasst werden.

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