Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
12.06.1918
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
12.6.1918

Auch heute strömender Regen, als ob der Himmel nicht mit uns wäre. Die Presenaaktion wurde wegen des Wetters verschoben; ob die ganze „Lawine“, konnte ich noch nicht erfahren. Jedenfalls wird auch der Piave - Übergang jetzt nicht durchgeführt werden können. Da gibt es in Baden, oder vielmehr wahrscheinlich in Bozen (denn der Kaiser ist im Heeresgruppen-Bereich) schwere Entschlüsse zu fassen. Ich würde. den „Radetzky“ unbedingt loslassen, weil solche zusammengezogene Truppenmassen auf die Dauer nicht[1] verpflegt werden können und weil auch das Schlimmste für die Stimmung unter unseren Truppen zu befürchten ist; „Lawine“ und die Piaveforcierung aber würde ich einstellen, und eventuell die dort freien Kräfte, wenn nötig zum Hauptangriff heranziehen. Doch ich habe Gott sei Dank damit nichts mehr zu tun.

Heute geht anlässlich der Desertionen bei KJ 4 ein sehr scharfer Bericht über die tschechische Wühlarbeit hinauf. Gestern bereits ein Tagesbefehl von Conrad erschienen, der aber erst im letzten Augenblick ausgegeben werden soll; fangt ähnlich an wie jener Napoleons 1796, worin er seinen Soldaten die Herrlichkeiten der italienischen Tiefebene zeigte. Nachmittags Fahrt zur 159. und neuerliche Besprechung wegen der Munitionsförderung, die sich übrigens dank des Einsatzes der kostbaren Infanterie (Kärntnerschützen und Kaiserjäger) wesentlich gebessert hat. Trotzdem werden wir eigentlich nicht fertig; das heißt, wir müssen uns mit der verminderten Tagesdotation begnügen, nur bei den mittleren Kalibern wollen wir das volle Maß einhalten. - Auch sonst fehlt es, wenigstens bei uns, an allem. Jeder aber hat das Gefühl, dass der Beginn der Offensive die Schicksalstunde der Monarchie ist; ein dumpfer Druck wegen unserer inneren Verhältnisse, die auch auf die Armee übergegriffen haben, lastet auf jedem einzelnen. Wenn man ehrlich ist, kann man die Stimmung nicht eben als hoffnungsfreudig bezeichnen. Dazu kommt noch das elende Wetter; nach einer ganz vorübergehenden Aufheiterung regnet es jetzt (½ 10 Uhr abends) wieder in Strömen.


[1] Das Wort „nicht“  fehlt im Stenogramm, wurde daher sinngemäß ergänzt.

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