Literatur

„Heldenfriseure“

Aufgabe der „Literarischen Gruppe“ war die Herausgabe populärer Bücher zu Geschichte, Verlauf und Einzelereignissen des Weltkriegs: Reich bebildert sollten diese Werke einen Beitrag zur Kriegspropaganda liefern und zugleich der „vaterländischen Erziehungsarbeit“ dienen. Die Literarische Gruppe griff auf die Infrastruktur des Kriegsarchivs zurück: Archivdirektor General der Infanterie Emil von Woinovich erwirkte vom Kriegsministerium die Überlassung von Personal des Kriegsarchivs für die „Literarische Gruppe“ Zu deren Leiter wurde Oberstleutnant Alois Veltzé, Vorstand der Schriftenabteilung im Kriegsarchiv, bestellt. Der traditionelle kriegsgeschichtliche Schwerpunkt des Archivs hatte sich mit der Literarischen Gruppe zur literarischen Aufarbeitung des Kriegs verschoben, da die für wissenschaftliche Arbeiten benötigten Akten gesperrt waren. Daher wurden für die Publikationstätigkeit keine Militärfachleute, sondern geschickte Literaten engagiert. Den Schriftstellern Rudolf H. Bartsch und Franz K. Ginzkey hatte Veltzé die Personalakquise im Kreis ihrer Dichterkollegen übertragen. Das Ausfindigmachen von willigen Schriftstellern gestaltete sich als nicht besonders schwierig, da viele Autoren sich dem Kriegsarchiv geradezu anboten. Sie sahen darin eine Chance, den Kriegsdienst mit dem „Dichtdienst“ zu vertauschen.

Die Liste bekannter, zumeist nicht nur dem Kriegshandwerk, sondern auch dem literarischen Heldenlob abgeneigter Autoren, ist lang: Franz Theodor Csokor, Albert Ehrenstein, Emil Kläger, Franz Molnar, Robert Musil, Alfred Polgar, Rainer Maria Rilke, Felix Salten, Franz Werfel, Stefan Zweig…

Egon Erwin Kisch, Alexander Roda Roda sowie Alice Schalek waren als Kriegsberichterstatter Mitglieder des KPQ, standen jedoch in engem Kontakt mit der Literarischen Gruppe des Kriegsarchivs.

Die Dichter arbeiteten fast ausschließlich in der Wiener Stiftskaserne und kamen nicht einmal in die Nähe einer Front. Quellen ihrer literarischen Tätigkeit waren stark gefilterte Depeschen des Armeeoberkommandos. Diese Notizen wurden zu Heldenportraits und spannenden Erzählungen auftoupiert. Rainer Maria Rilke notiert 1916 über seine Arbeit im Kriegsarchiv: „Der Dicht=Dienst, zu dem sich die Herren seit anderthalb Jahren geübt haben, ist mir völlig unmöglich. Ich mag ihn nicht beschreiben, er ist sehr dürftiger und zweideutiger Natur, und eine Abstellung alles Geistigen (…)scheint beneidenswerth neben diesem schiefen und unverantwortlichen Mißbrauch schriftlicher Bethätigung. Die Herren selbst nennen es „das Heldenfrisieren“, lange graute ihnen, nun haben sie sich dazu überwunden und werfens aus dem Handgelenk.“

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