Einleitung

Einer der späterhin herausragenden Exponenten der Literarischen Gruppe im Kriegsarchiv, Stefan Zweig, notiert am 6. August 1914 in sein Tagebuch, die einrückenden Soldaten seien fast freudig, nicht übermütig, aber entschlossen. Lediglich die Frauen „in ihren weißen Kleidern, heiter wollustig“, verstünden nichts vom Ernst der großen Ereignisse – „wienerisch eben bis zum Äußersten.“ Schon die ersten Kriegsmonate allerdings sollten derlei Einschätzungen ad absurdum führen. Der Krieg erfasste alle Aspekte des menschlichen Lebens, mobilisierte alle verfügbaren Ressourcen, stellte Männer wie Frauen in seinen Dienst. Ein unentwirrbares Ineinanderlaufen von Front und Hinterland entwickelte sich rasch in einen totalen Krieg. 

Zunächst wurden Frauen in ihren sozusagen „angestammten“ Domänen aktiv, in der Armen- wie in der Säuglingsfürsorge, bei öffentlichen Ausspeisungen wie in sog. „Wärmestuben“; Eugenie Schwarzwald hat wie keine zweite solch karitative Aktivität im Sinne des sozialen Patriotismus zu betreiben und zu befördern gewusst. Der Einsatz als Kriegskrankenschwester in regulären Kriegsspitälern ebenso wie in frontnahen, mobilen und oftmals nur notdürftig improvisierten Feldlazaretten eröffnete ein weiteres, umfassendes und als spezifisch „weiblich“ erachtetes Tätigkeitsfeld. Der mühevolle, gefährliche, Nerven wie körperliche Konstitution gleichermaßen in Mitleidenschaft ziehende Kranken- und Verwundetendienst galt in weiten Kreisen durchaus als ein Äquivalent zum viel beschworenen Heroismus der Frontsoldaten. Zahllose Propagandaveröffentlichungen des Kriegspressequartiers und der Literarischen Gruppe haben die Taten der einen wie der anderen literarisch überhöht („Heldenfrisieren“). Das mehr symbolische Agieren von Damen des Hochadels und weiblichen Angehörigen des Herrscherhauses fand allerdings verbreitet vehemente Kritik und wurde etwa von Karl Kraus oder Jaroslav Hašek mit beißender Satire und bitterem Spott überschüttet. 

Mit Fortgang des Krieges, je mehr sich die Ressourcen an „Menschenmaterial“ und Versorgungsgütern erschöpften, je mehr die (militarisierte) Volkswirtschaft an ihre Grenzen stieß, desto entscheidender und unverzichtbarer wurde der Beitrag, die Arbeitsleistung der Frauen. Zunehmend rückten sie in traditionelle Männerbastionen ein – in Fabrik und Kontor, am Feld und in der Verwaltung. Sie hatten nicht nur gänzlich unzumutbare, entbehrungsreiche und akut gesundheitsgefährdende Arbeitsbedingungen zu ertragen, sie hatten auch, in Abwesenheit ihrer Männer und Söhne, einen zunehmend prekär werdenden Alltag zu meistern. Ihre Empörung, ihre tragende Rolle in Hungerrevolten und Lebensmittelkrawallen, letztlich ihr aktives Friedensengagement sollten zu entscheidenden Einbrüchen in der Organisation der Kriegsindustrie führen.

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