Villa Giusti

Nach der letzten italienischen Offensive am 24. Oktober 1918  im Bereich des Grappa-Massivs an der Gebirgsfront bzw. am 26. Oktober bei der Heeresgruppe Belluno zeigte die österreichisch-ungarische Armee ernsthafte Auflösungserscheinungen, besonders als die Italiener am 27. Oktober auch noch östlich der Piave Brückenköpfe gewannen. Nachdem Generaloberst Arthur Arz von Straussenburg Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg und Beneckendorff von der Notwendigkeit dieses Schrittes informiert hatte, entschloss sich Kaiser Karl I., um einen Waffenstillstand oder Sonderfrieden zu bitten.  

Am 28. Oktober trat somit in Trient unter General Viktor Weber Edler von Webenau eine österreichische Waffenstillstandskommision zusammen, der ausschließlich Offiziere und keine Diplomaten angehörten. Gleichzeitig sollte die Heeresgruppe von Feldmarschall Svetozar Boroević von Bojna für alle Fälle in ihren Stellungen abwarten. Am 29. Oktober gelang es Hauptmann Kamillo Ruggera, im Etschtal dem italienischen Divisionskommando ein Schreiben mit der Bitte um Waffenstillstand auszuhändigen. Als den ganzen Tag nicht geantwortet wurde, entschloss man sich österreichischerseits zu einem Funkspruch an den Gegner, woraufhin dieser unter der Bedingung akzeptierte, dass die Alliierten auf alle Fälle ihre militärischen Operationen fortzusetzten.  

Am 30. Oktober erreichten die Italiener Vittorio Veneto und verfolgten die flüchtenden Reste der k. u. k. Armee, während Webers Kommission erst am 31. Oktober die italienischen Linien überschreiten durfte und in das Gästehaus der italienischen Heeresleitung, die Villa Giusti bei Padua, geleitet wurde. Die italienische Delegation unter Generalleutnant Pietro Badoglio traf erst am 1. November dort ein – ohne Instruktionen, die am 2. November vom Alliierten Obersten Kriegsrat aus Versailles übermittelt wurden.  

Die Bedingungen, die für alle Fronten zu gelten hatten, sahen im wesentlich vor: sofortige Einstellung der Feindseligkeiten, völlige Abrüstung Österreich-Ungarns mit Ausnahme von zwanzig auf Friedensstand zu haltenden Divisionen, Ablieferung der Hälfte der Artillerie, Räumung aller besetzten Feindgebiete sowie des eigenen Gebietes bis zum Brenner, weiters Räumung des Pustertales bis Toblach, des Tarviser Beckens, des Isonzogebietes, Istriens samt Triest, Westkrains, Norddalmatiens mit Inseln. Besonders schmerzlich empfunden wurden die freie Bewegungsmöglichkeit alliierter Truppen, das freie Besatzungsrecht im Bereich der gesamten Monarchie und die sofortige Entlassung aller alliierten Kriegsgefangenen ohne Gegenseitigkeit.  

Dies glich mehr einer bedingungslosen Kapitulation als einem  Waffenstillstand. Dazu kam, dass mit diesem Entwurf für die Alliierten auch die Möglichkeit bestand, über Tirol Deutschland anzugreifen, was zwischen 5. und 10. November zu einer Besetzung von Teilen Nordtirols durch bayerische Truppen führte. Am 2. November forderte der italienische Generalstabschef die bedingungslose Annahme bis Mitternacht, ansonsten werde die alliierte Offensive eben fortgesetzt, so dass nach hektischen Depeschen und Telephonaten mit Wien und Baden am 3. November, 15 Uhr endlich unterzeichnet wurde. Jetzt verwies Badoglio allerdings auf den Umstand, dass er ab tatsächlich erfolgter Unterzeichnung noch 24 Stunden benötige, um seine gesamte Armee von der Beendigung der Feindseligkeiten zu unterrichten. Das zeitverschobene Einstellen der Kampfhandlungen sollte schließlich noch 360 000 österreichisch-ungarische Soldaten in die Gefangenschaft führen.

Waffenstillstand von Villa Giusti 3.11.1918

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