Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
19.06.1918
Wählen Sie aus:
Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
19.6.1918

Vormittags Fahrt zum III.Korps, um mich dort über Lage und Erfahrungen zu orientieren, und dann auch zu Kless, um zu sehen wie es ihm geht. Überall das Gefühl unzureichender Vorbereitung. - Alle Gefangenen erzählen, unser Artilleriefeuer habe gar keine Wirkung gehabt. Zu allem Überfluss hat ein Überläufer den genauen Beginn und die Phasen der Vorbereitung verraten, sodass der Feind Punkt 3 Uhr die Gasmasken aufsetzte! - Kless speziell erzählt mir, die erste feindliche Stellung sei gar nicht niedergekämpft gewesen, sondern von unserer Infanterie „wie im Jahr 14“ genommen worden. Die Stellungen der Infanterie, und insbesonders die Befestigungen des Zwischengeländes seien außerordentlich stark; das Terrain des Waldgebietes, „Nachtkastelkarst“, begünstigt sehr die Anlage versteckter Maschinengewehrnester. Die Engländer haben sich ebenso tapfer wie hinterlistig geschlagen; so zum Beispiel hoben sie die Hände auf und schossen dann unsere Offiziere nieder. - Die Verluste des III. Korps sind sehr schwer, über 7.000 Mann, das heißt etwa 30 - 40 % des Kampfstandes. Das Korpskommando schiebt die Ursache des Rückzuges auf den Regimentskommandanten der 52. ID., der seinem und dem Nachbarregiment ohne zureichenden Grund den Befehl hiezu gegeben habe. Verbindungen haben natürlich hier nicht funktioniert; am besten noch die Läufer (die aber bei der 6. Division 6 - 9 Stunden von der vorderen Linie bis zum Divisionskommando brauchten) und die Brieftauben (die aber auch wegen Verirrens im Nebel erst nach 3 Stunden ankamen). - Kless geht es gut; er war aber in großer Gefahr, eine englische Granate explodierte im Beobachtungsstand und tötete 3 Offiziere, 7 Mann des Kommandos. Er bekam nur einige leichte Splitter, darunter einen in die Blasengegend, aber auch nur oberflächlich. - In die Gegend des Kommandos (Civello Lager) wird häufig hin geschossen; heute aber saß das Feuer vielleicht ½ km weiter südlich.

Bis mittags über die ganze Lage keine neuen Nachrichten. Der Pressebericht klingt heute recht matt, spricht nur von einigen Vorteilen, ob sie aber konkret zu nennen sind? Und der Italiener, davon bin ich überzeugt, schiebt alle seine Reserven an die Piave. Das Wichtigste an der ganzen Lage aber ist, dass in Wien die Brotration auf die Hälfte herabgesetzt wurde. Noch eines habe ich vergessen zu notieren: Die Führung des 11.AK. soll ganz scheußlich gewesen sein. In einem schon ganz ungeeigneten Zeitpunkt wollte Sündermann plötzlich befehlen, dass die 2.italienische Linie wieder genommen wird. Martiny soll aber seine Ruhe nicht verloren haben; am Abend vor dem Angriff war sogar noch eine Bridgepartie, die bis 12 Uhr dauerte.

Nachmittags Kanzleiarbeit. Wiederherstellung der Verteidigungsgruppierung gibt einiges zu tun.

Abend Nachrichten von der Piave lauten nicht günstig. Dabei echter Boroević-Stil, wie ich ihn vom AOK her kenne. Nirgends ein Weiterkommen, sehr schwierige Lage durch das Hochwasser. Lange kann dieser Zustand nicht mehr dauern; und die Heeresgruppe Conrad dürfte wohl vor 1 - 2 Wochen überhaupt nicht imstande sein, etwas zur Unterstützung der Piave Front zu unternehmen.

X
Tablet drehen