Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
28.03.1917
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
28.3.1917

Gestern schon habe ich erfahren, dass Metzger zum Kommandanten der 1.ITD ernannt wurde. Man sagt, der Kaiser habe diese Ernennung „eigenhändig“ beschleunigt. Heute verabschiedet sich Metzger von uns. Mich trifft er nicht an; ich gehe daher zu ihm hinunter und habe dabei Gelegenheit, nochmals mit ihm zu sprechen. Er sagt mir, dass er sofort bei der Verabschiedung des Chefs die Tendenz der ganzen Maßnahme erkannt und daher um ein Kommando an der Front gebeten habe. Wir kommen dann auf die Lage zu sprechen. Metzger sagt mir, die ganzen Maßnahmen der Deutschen machen in der letzten Zeit den Eindruck, dass sie den Gedanken eines Schlages gegen Italien noch nicht aufgegeben haben, sondern vielmehr für diesen und den Fall, dass von der russischen Front Kräfte weggenommen werden können, bereits geeignete Reserven bereitstellen. Metzger hält den Wechsel des Chefs auch für den Fall für ein Unglück, dass keine großen Kämpfe eintreten sollten. Es scheine nämlich unter den gegenwärtigen Männern (gemeint sind wohl Arz und Czernin) die Neigung zu bestehen, einen faulen (Wilsonschen) Frieden zu machen, eine Neigung, die beim Kaiser ein williges Ohr finden dürfte. Da kann die Gefahr entstehen, uns im letzten Augenblick, nur um des raschen Friedens willen, den Sieg entschlüpfen zu lassen. - Metzger erhielt heute vom Kaiser selbst den Kronenorden 1.Klasse mit den Schwertern überreicht. Mittags Feier dieser allseits mit Freude und Genugtuung begrüßten Auszeichnung. Nachher spreche ich nochmals mit Metzger über die Frage einer künftigen Offensive gegen Italien. Er sagt mir, der Kaiser fühle große Abneigung, dass an dieser Sache deutsche Truppen überhaupt teilnehmen. Es sei aber durchaus unwahrscheinlich, dass uns die Deutschen mit Italien allein abrechnen lassen. Die Abneigung des Kaisers könne daher sehr leicht dazu führen, dass die Offensive überhaupt unterbleibt; auch in dem günstigen Falle eines Separatfriedens mit Russland würde man sich dann mit einem faulen Frieden, das heißt mit Grenzkorrekturen ohne neuerlichen Waffengang begnügen. Und wie dies ausfällt, ist nicht abzusehen. Daher möge ich „mit der mir eigenen Beharrlichkeit“, solange ich noch kann, darauf drängen, dass der Gedanke, Italien unbedingt noch einen Schlag zu versetzen, nicht einschlafe. - Ich gedenke wieder ein Referat zu verfassen, dass sowohl den Fall behandelt, dass Russland ausspringt, und zwar speziell die Frage, ob wir eine Offensive überhaupt ohne deutsche Aushilfen durchführen können; als auch die Lage, die dann entsteht, wenn Italien in der ersten Aprilhälfte nicht angreift, wohl aber seine Kräfte und Angriffsmittel weiter vermehrt. - Abends Abschiedsvorstellung von Exzellenz Metzger.

Arz hält in seiner gewohnten hastigen Art eine Rede, in der er den Vorzügen des Scheidenden gerecht wird. Unerklärlich bleibt nur die Wendung, dass Metzger nun auf seinem neuen Posten mehr leisten soll als hier! Auch ein warmer Korpsbefehl. Damit ist der Zweitgrößte erledigt. Fortsetzung mit den Kleineren folgt...

Nach dem Nachtmahl wieder, heute schon das dritte Mal, Champagner zur Verabschiedung Metzgers. Stimmung recht ungemütlich - eigentlich immer für mich, der ich schon ein ganz Einsamer geworden bin und namentlich die erzwungene Fröhlichkeit nicht mehr verstehen kann. Rede bei solchen Anlässen jetzt oft den ganzen Abend nicht ein Wort und hänge den Gedanken über die großen Dinge und über die künftige Gestaltung meines eigenen Daseins nach.

 

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