Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
05.01.1917
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
5.1.1917

Nach längerer, durch meinen Urlaub und den Tod Opas bedingten Pause setze ich heute meine Aufzeichnungen fort. War in der Zwischenzeit nur einen Tag und zwar den 1.Jänner in Teschen, wo es Wichtiges zu erledigen gab, hauptsächlich Berichte der 5. Armee, die sämtlich bezwecken, uns die noch zur Verfügung des AOK zurückgehaltenen Reserven, 41.HITD und 81. HI.Brig. herauszuziehen. Erfuhr aber auch von Kless, dass nun - wie ja zu erwarten war - die Frage künftiger Operationen gegen Italien aktuell wird. Über Auftrag Metzger hat Kless darüber am 30.12.1917 ein Referat geschrieben, dessen wesentlichen Inhalt ich hier vormerke, indem ich die seither erfolgten Bemerkungen des Chefs in ((Klammer)) beifüge. Einleitend wird gesagt, der wirkungsvollste Angriff gegen Italien ist immer jener mit der Hauptkraft aus Tirol. ((„Liegt klar auf der Hand, war stets in Betracht und auch bei der Maioffensive als Grundlage genommen. Muss aber mit genügend Kräften unternommen werden; verfehlt sonst die Wirkung. 1) Müssen die feindlichen Kräfte zwischen Gardasee und Borgo geworfen werden, das sind momentan 140 Bataillone = 12 ITD., 2) muss die Linie Borgo - Padua gewonnen und gehalten werden, 80 km Frontlänge wenigstens 20 Divisionen, 3) müssen die nach dem Durchbruch gegen Westen abgedrängten Kräfte in Schach gehalten werden [Verona] und. der Rücken gegen neue Formationen gedeckt werden; verlangt wenigstens 4 Divisionen; somit in Summa 26 Divisionen. Indessen muss die Osttiroler Front verlässlich gehalten werden und zwar besonders gegen einen Vorstoß gegen das Etschtal, und die Isonzofront nicht nur unbedingt behauptet werden, sondern auch selbst zum Angriff übergehen, sowie der Feind von dort Kräfte gegen die Tiroler Front abziehen.. sollte.“)) Das Referat begründet sodann kurz die Vorteile der Angriffsrichtung aus Tirol und hebt hervor, dass allerdings auch die Aufmerksamkeit der italienischen Heeresleitung sehr in diese Richtung gelenkt ist. In Tirol jetzt 7 ITD; Bahn kann 20 versorgen ((man braucht eben mehr)), noch 13 notwendig. Vom Feind zwischen Etsch und Fassaner Alpen jetzt 11 ITD, die natürlich bei Erkennen der Gefahr ausgiebig verstärkt werden würden. ((Selbstverständlich)) - 5. Armee, jetzt 15. ITD., wäre zur Bildung einer Stoßgruppe noch um 3 frische, angriffsfähige zu verstärken. Im Ganzen also für den Angriff aus 2 Richtungen 16 ITD (13 aus Tirol, 3 zur 5. Armee) der Südwestfront zuzuführen. Gesamtkräfteverhältnis wäre dann: 56 italienische gegen 38 operationsfähige von uns (bei den Italienern Bersaglieri, Alpini, Finanzieri eingerechnet). ( (Zu den vorhandenen noch 19 für Tirol, 3 für den Isonzo = 24 ITD Minimalerfordernis. Dann immer noch erst 44 gegen 56; dazu sowohl für Tirol als auch für den Isonzo eine starke schwere Artillerie.) ) - Materielle Vorbereitung des Aufmarschraumes, in Stellung bringen der schweren Artillerie und Antransport von 13 ITD in Tirol nimmt 8 Wochen in Anspruch; würde heute Angriffsentschluss gefasst, so erst Mitte März Schlagbereitschaft; nach Witterung und Schneeverhältnissen die ungünstigste Zeit. ( (Richtig, daher vorerst nicht möglich) ). Dann bespricht das Referat den Angriff mit der Hauptkraft im Küstenland. Hiefür Kräfteverhältnis bei 5.Armee mindestens 1:1. Daher noch 10 - 12 ITD Verstärkung; dann 25 - 27 ITD stärker; Aufmarsch in 4 - 5 Wochen beendet. Für Tirol noch 2 - 3 ITD für lokale Demonstrationen nötig. Durchführung am besten aus dem Tolmeiner und Flitscher Becken; dort aber ähnliche Schneeverhältnisse wie in Tirol. Hehr als Zurückdrücken der Italiener an den Tagliamento kaum erreichbar (letzteres sagt Metzger). Forcieren dieser Linie schwierig; großer Artillerie Aufmarsch; am besten wieder Umfassung, aus Tirol. ((Ein beschränktes Ziel für den Angriff am Isonzo wäre: Die zwischen Salcano und dem Meer stehenden italienischen Kräfte überraschend anzufallen, sie über den Isonzo zu werfen und zwar so rasch, dass sie ihr gesamtes östlich des Flusses stehendes Artilleriematerial u.s.w. verlieren. Ob aber ein solcher Erfolg die Wirkung haben würde, Italien zum Frieden zu zwingen, ist fraglich, immerhin aber möglich.)) - Günstigster Zeitpunkt: gegen Ende April Vorstoß aus Tirol schon möglich. ((Auch noch nicht sicher!)) - Italienische Heeresleitung wird in den kommenden Monaten Anstrengungen gegen Triest fortsetzen, bis bessere Jahreszeit österreichischen Rückangriff möglich erscheinen lässt. Ende März Angriff aus dem Küstenland beginnen. Dann aber auch großen Transport nach Tirol beginnen, sodass Angriffsstaffel mit zusammen 12 ITD in 3 Wochen angriffsbereit ist. (Das ist Ende April. Metzger: Dann folgt 2.Staffel, 6 - 8 ITD) - ((Der Angriff in Tirol müsste auch schon Plateau von Brentonico in sich begreifen und sich dann über die Abfälle der Lessinischen Alpen erstrecken)).

Grundrichtlinien: a) Weitere artilleristische Stärkung der 5. Armee, um die in den Monaten Jänner bis März zu erwartenden Angriffe der Italiener ohne großen Verlust und ohne empfindliche Preisgabe von Terrain abschlagen zu können; b) während dieser Zeit materielle Vorbereitung des Aufmarschraumes in Tirol, um bei Eintritt des Frühjahrs jederzeit den Hauptstoß aus Tirol führen zu können. ((Ja)). - Dieses Referat ist vollkommen gut und entspricht dem, was ich im Dezember mit Kless besprochen habe. - Nun fand in Pless eine große Besprechung zwischen Conrad und Ludendorff statt, deren wesentliches Ergebnis war, dass die Zentralmächte zunächst überhaupt nichts Großes unternehmen können, weil der Kräfteverbrauch in Rumänien ein außerordentlich großer war und die deutschen neuen Formationen noch nicht fertig sind. Es bleibt daher nichts übrig, als über den Winter zu rüsten. Conrad hat in dieser Besprechung einen „Schnitzer“ gemacht, indem er von Haus aus auf seine 26 oder 24 Divisionen beharrte, was zur Folge gehabt hat, dass Ludendorff fast umgefallen ist und nun vor der italienischen Sache wieder eine gewisse Scheu hat. Es wird daher unsere Aufgabe sein, die Frage der Offensive gründlicher zu behandeln und wieder mundgerecht zu machen. Dabei will ich auch auf die Befehlsverhältnisse im Falle des Auftretens deutscher Kräfte eingehen, damit sich auch in dieser Beziehung gleich bestimmte Punkte in den leitenden Köpfen festsetzen. Wie mir Metzger sagt, hat Conrad übrigens noch einmal mit Ludendorff gesprochen und den Eindruck gewonnen, dass die Deutschen im Allgemeinen „große Schneid“ gegen die Italiener haben.

Eindrücke über unsere Übersiedlung: Es ist ein Skandal, wie sich das Ganze vollzogen hat. Die Operationsabteilung eines Oberkommandos, das im 3.Kriegsjahr steht, hat nach 4wöchiger Quartierregulierung nicht einmal Tische, auf denen man Karten auflegen kann. Überhaupt in jeder Beziehung eine heillose Wirtschaft und Schlamperei, sodass ich gestern ordentlich aus dem Häusl kam. Leider! Denn es hilft so nichts.

Auch für Familien werden bereits wieder Quartiere gemacht…

Abends sagt mir Metzger, Erzherzog Friedrich sei im Wanken.

Der Kaiser will ihn von Baden weghaben und gedenkt ihm das Kommando über eine Heeresfront zu geben. Da im NO. keines frei ist, soll er im Südwesten und zwar das Kommando über die 5. und 10. Armee, natürlich nur ein Scheinkommando, bekommen. Der Chef hat schon 2 Mal die Sache abgewendet und wird dies heute noch ein drittes Mal versuchen; namentlich alle dynastischen Gründe hat er eindringlich dargelegt und dies wird gewiss wieder geschehen. Bei der impulsiven Art des Kaisers sei aber der Erfolg fraglich. Daher muss für diesen Fall vorgedacht werden; in erster Linie durch die Wahl des Stabschefs. In Betracht kommen Horsetzky und Herberstein. Die Führung wird fest in unserer Hand bleiben müssen; direkte Meldungen der Armeen über Lage u.s.w. Ich mache auch geltend, dass durch eine solche Maßnahme die Regelung der Verhältnisse bei Auftreten starker deutscher Kräfte an der Südwestfront in der unangenehmsten Weise präjudiziert würde. Metzger sagt aber mit Recht, man werde sich wohl überlegen müssen, diesen Punkt gegenüber dem Kaiser zu berühren, weil er einen Grund mehr finden könnte, (nach seiner Meinung!) die österreichische Leitung voll aufrecht zu erhalten. Natürlich ein Irrtum; denn die Deutschen würden sich um den Erzherzog nicht kümmern, wenn es sich um Besetzung von Führerstellen handelt!

Ereignisse: Nichts Besonderes. In den anderen Gruppen konnte ich mich noch gar nicht orientieren. - Oberst Höfer Minister! Wie man hier sagt, wurde dieselbe Stelle Fml. Králiček telefonisch angetragen; er hat aber abgelehnt und gebeten, ihm eventuell ein KKdo. zu verleihen. Die Ernennung Höfers wurde vom Kaiser nach Teschen telefonisch mitgeteilt. Also er telefoniert auch! Gefährliche Sache…

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