Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
26.01.1917
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
26.1.1917

Heute höre ich einige „recht nette Sachen“. Zuerst erzählt mir Oberstleutnant Reiter von einer fürchterlichen Korruptionsaffaire, die jetzt den Ehrenrat beschäftigt. Es handelt sich um geschwindelte Rechnungen über Pneumatiklieferungen zu Beginn des Krieges, die durch einen Hauptmann namens Lieberl aufgedeckt wurden. Der Arme wird jetzt von den Juden, die sich sehr mächtiger Beschützer, darunter an der Spitze Bellmond, erfreuen, grimmig verfolgt. Auch Frau Bellmond ist in die Sache verwickelt. Hoffentlich wird alles rücksichtslos aufgedeckt und behandelt. - Nachmittags erzählt mir Zeynek von der ernsten Verpflegskrise, in der wir - das heißt Armeen und Hinterland - sich befinden. Die Armeen haben jetzt einfach statt 14 Tage nur „0“ Tage Verpflegung; das heißt es ist jetzt immer nur eine Portion beim Mann. Jeden Tag kommen mehrere Meldungen, dass Bäckereien ihre Betriebe einstellen mussten. Verursacht ist diese Krise dadurch, dass die ungarischen Versprechungen über die Getreidelieferungen nur zur Hälfte erfüllt wurden und dass auch das Generalgouvernement Polen viel weniger als erwartet und möglich lieferte. Höfer soll die Sache wohl gewusst haben, griff aber nicht mit genügender Energie ein. Jetzt ist vorgeschlagen: Todesstrafe auf Lebensmittelwucher, bis zu 5 Jahren Kerker auf Aufstapelung von Vorräten über das erlaubte Maß; dann militärische Requisition aller Vorräte. Zeynek sagt, dass nun Höfer stark gegen die Qu.Abt. arbeite; von seinem Ministerstandpunkt ist das ja natürlich!

Habe nun auch große Sorge wegen der Tiroler Vorbereitungen; muss noch heute mit Haberl sprechen, dass anderes Material laufen muss, wenn keine Verpflegung da ist. - Selbstverständlich ist man auch an die Deutschen herangegangen. Diese waren bezüglich dem Herausbringen der Vorräte aus Rumänien sehr entgegenkommend, stellen aber für weitere Aushilfen die Bedingung einer deutschen Kontrolle zur Besserung unserer (Sau-) Wirtschaft. Und zwar sollte zu jedem Militärkommando ein deutscher General kommen. - Das ist ja ganz erklärlich; das deutsche Volk hungert nun 2 Jahre und soll jetzt seine Vorräte an uns abgeben, die wir im Überfluss lebten?

Bespreche abends die Tirol betreffenden Fragen mit Haberl. Er wird nun vorschlagen: 1) Dass das von uns bereits Angeforderte nach Tirol rollt, 2) dass auch auf die Verpflegsvorräte von Krakau gegriffen wird, 3) dass sonstiges Material in erhöhtem Masse zugeführt wird. Wie er mir sagt bekommen wir von den Deutschen 2.000 Waggons statt den angeforderten 15.000. Der Kaiser hat verfügt, dass diese ganze Verpflegung für die Armee gewidmet wird.

Nach Nachtmeldung an der Doberdòfront heute nachmittags bedeutend lebhaftere Artillerie - und Fliegertätigkeit.

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