Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
17.02.1917
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
17.2.1917

Gestern schon gab mir Metzger die Antwort an Boroević auf die Beschwerde über meinen Besuch. Diese Antwort ist sehr geschickt verfasst, stellt die Notwendigkeit gegenseitigen Vertrauens in den Vordergrund und beharrt dabei fest auf dem Standpunkt, dass das AOK das Recht zu derartigen Entsendungen habe und dass dies keineswegs als unhaltbar bezeichnet werden könne. Das Stück ist im Konzept vom Kaiser eingesehen, wird daher „auf allerhöchsten Befehl“ gefertigt. Natürlich bin ich darauf gefasst, dass Boroević weitere Schritte versuchen wird. Der markanteste Satz in der Antwort lautet: „Die Unterlassung dieses Vorganges wäre ein schweres Versäumnis; er kann daher keineswegs als unhaltbar bezeichnet werden, wird vielmehr den Armee - und Korpskommandos ebenfalls zur Pflicht gemacht und fußt auf der Grundlage des Verständnisses voll Vertrauens, an dem es bisher nirgends gefehlt hat und für das Erreichen unserer gemeinsamen schweren Aufgabe niemals fehlen darf.“

Die Direktiven, die am 15. Februar hinausgingen, sagten in meiner Fassung in der Einleitung: „In letzter Zeit beim AOK eingelaufene ganz sichere Nachrichten haben das Bild über die Absichten unserer Gegner wesentlich verändert und geklärt. Solange nicht neue Entschließungen der Vierverbandsmächte erfolgen, ist mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass die Offensive gegen die deutsche Westfront erst anfangs April einsetzen dürfte. Die Italiener werden ihr Rüstungsprogramm erst in der zweiten Aprilhälfte vollendet haben und sind vorläufig verpflichtet, binnen 3 Wochen nach Beginn der französischen Offensive loszuschlagen. Allerdings scheinen sie unter gewissen Bedingungen gesonnen zu sein mitzugehen, falls die Offensive gegen die deutsche Westfront vor dem 1.April beginnen müsste. Nach den Markierungen für dieses Bild über die Absichten der feindlichen Mächte ist anzunehmen, dass alle anderen, von einem früheren Angriff sprechenden Nachrichten lanciert wurden. Eine Vorverschiebung des nunmehr geltenden Zeitpunktes dürfte dem AOK kaum entgehen. Dessen ungeachtet ist größte Aufmerksamkeit geboten, damit Veränderungen in der feindlichen Situation rechtzeitig erkannt werden."

Der Chef hat diese Sache etwas erweitert und bestimmter gestaltet, was ja erklärlich ist, da er die Verantwortung trägt. An die 5. Armee folgen nun im Wesentlichen folgende Weisungen: Verhalten wird sich diesen Umständen anzupassen haben. „Nach wie vor muss als ganzes Ziel vor Augen bleiben, dass die zur Abwehr der italienischen Hauptanstrengungen berufene Armee in die zu erwartenden schweren Frühjahrskämpfe mit standesstarken, möglichst ausgeruhten Verbänden, in vollendeten Verteidigungsanlagen und in jeder Beziehung gründlichst vorbereitet eintreten sollen.“ AK. dieses Ziel fördern, Truppen aus dem Feuerbereich herausnehmen, für Ablösung planen bis Ende März. Kleinere Unternehmungen fortsetzen. Größere Kämpfe sollen sich daraus nicht entwickeln. Höhere Kommandanten und Generalstabsoffiziere an die Front, auch in die vorderen Linien! Im Raum von Tolmein Vorbereitungen für rasches Instellungbringen einer starken Artillerie treffen. Bei Ablösungen kann auch mit 7.ITD gerechnet werden. Vor Einsatz diese und die 41. aus der Front kommende Division jedoch als AOK-Reserve an der Bahn halten. Lst.IR 1 dürfte im März freigemacht werden können. Dem HGK wird auch die Lage mitgeteilt und überdies gesagt, welche Divisionen nach hiesiger Auffassung aus Tirol selbst am Angriff mitzuwirken hätten. Die 10. Armee wird nur kurz verständigt vom Zeitpunkt der feindlichen Offensive und avisiert, dass eine allmähliche Kräftigung der Armee an Artillerie, Munition und in materieller Beziehung eintreten wird. - Der Pessimismus greift immer weiter um sich. Heute vormittags sagt mir Ratzenhofer, es wird überhaupt nicht mehr möglich sein, irgendeine positive Aktion zu unternehmen; sonst müssten andere Fronten der unbedingt nötigen Bedürfnisse entraten. Die Bahnen könnten so etwas nicht mehr leisten. Das will man aber beim Chef des FEW nicht einsehen, dass solche Krisen vorausgesehen werden konnten und mussten. Niemand will voraussehen; niemand will kalkulieren. Alles ist nur „Gefühlssache“. Nun ich rechne bestimmt darauf, dass die Bahn auch hier entsprechen wird, wenn erst der notwendige Schwung hineinkommt. Natürlich darf man nicht vergessen, dass die Eisenbahner genug zu essen haben. - Nachmittags hielt mich Zeynek bis ½ 4 Uhr auf, um mir zu erklären, dass die Tiroler Operation eine Phantasterei sei. Wir könnten weder die Verpflegung, noch das Futter, noch die Pferde aufbringen. Letztere müssten sehr reduziert werden; daher auch die Zahl der von uns geforderten Staffel. Auch da bitte ich wieder und zwar sehr ernstlich, dass ein Staffel Kalkül verfasst wird. Nach diesem werden wir nötigenfalls unsere Operationen oder sonstige Maßnahmen einrichten. Nur keine Überraschung, nur nichts plötzlich! Das gibt es nicht, wenn vorgedacht wird. Aber am Vordenken fehlt es bei uns immer wieder. Auf einmal ist eine Krise da - und alle sind unschuldig!

An der Front wieder nichts Neues. Die Nachrichten über große Schwierigkeiten der Italiener in der Kohlenversorgung mehren sich; mehrere Munitionsfabriken sollen schon stillstehen.

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