Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
07.09.1916
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
7.9.1916

Ein Bericht unseres Botschafters in Madrid vom 30.8. sagt, die Arbeit der Entente in Rumänien, die den Eintritt dieses Staates in den Krieg zeitigte, hatte in Spanien die Wirkung, dass man glaubt, nun werde dieses an die Reihe kommen und von der Entente unter noch stärkeren wirtschaftlichen Druck gestellt werden, um es vollständig unter ihre Botmäßigkeit zu zwingen. Die Furcht vor den Zwangsmitteln Englands, die militärische Ausgestaltung der englischen Kolonie Portugal schwächen langsam aber sicher die Widerstandskraft der Ententegegner. Dazu tritt, dass das militärische Prestige der Mittelmächte in den letzten Monaten durch die Nichteinnahme Verduns und besonders durch unseren hier scharf kritisierten Rückzug in Galizien und in der Bukowina, dessen Ursache auf den Mangel an Voraussicht bei der Oberleitung und falsche Einschätzung der Offensivkraft Russlands zurückgeführt wird, starke Einbuße erlitt. Dieser Prestigeverlust vergrößert sich durch den Eintritt Rumäniens in den Krieg. Heftige Zeitungskampagne frankophiler Blätter. „Einziges Mittel, den wachsenden, vom Kabinett Romanones geförderten Einfluss der Entente hier zu paralysieren, wäre ein baldiger eklatanter Erfolg unserer Waffen auf irgendeinem Kriegsschauplatz, am besten aber die Vernichtung Rumäniens." Allerdings versicherte der spanische Ministerpräsident, sein Land werde aus der Neutralität nie heraustreten; man weiß aber, was man von solchen Versicherungen zu halten hat.

Heute früh Nachricht, dass gestern Turtukai genommen wurde. Das ist eine große Sache; erstens dürften die Rumänen wirklich eine Ordentliche aufs Dach bekommen haben, zweitens gewinnt Mackensen sehr an Ansehen, drittens wird es den Rumänen wegen Bukarest unheimlich werden, viertens wird dieser Erfolg eine große Wirkung auf unsere Unken und aufs neutrale Ausland haben.

Nach Frühmeldungen nichts Besonderes. Noch immer starke Niederschläge, im Hochgebirge Schneefall und einige Grade minus. An Fleimstalfront Artilleriefeuer. Unsere Anstrengungen, das Foramogebiet vom Feind ganz zu säubern, dauern fort.

Ein Attachébericht aus der Schweiz berichtet, dass man dort in patriotisch denkenden Kreisen befürchtet, dass die Schweiz das Schicksal Griechenlands teilen wird. Es unterliegt keinem Zweifel, dass England bereits nach Griechenland an Dänemark, Spanien und vielleicht auch an die Schweiz denkt; es handelt sich nur darum, wer „der Nächste“ ist.

Abends: Raum M S. Gabriele von 9 Uhr vm. bis mittags unter starkem Artilleriefeuer. (Heute kam Fleischer von seiner Truppendienstleistung zurück und erzählte über die Verhältnisse in diesem Raum, wo er einige Zeit ein Bataillon kommandierte. Deckungen noch minder, nur zum Teil 1,20 – 1,40 tief; Arbeiten bei Tag ausgeschlossen, bei Nacht schwierig. Bei Truppe und Führung Gefühl, dass wir dort so stark sind, als stünde ein Angriff bevor. Ansonsten erzählt Fleischer eine Menge wenig erfreulicher Details, auf die man aber nicht zu viel geben darf; denn jeder der von draußen kommt, ist von den Eindrücken, die er in seinem engeren Rahmen empfing, zu sehr beeinflusst).

Niederschläge dauern an; in Kärnten vielfach größerer Schaden an Stellungen und Kommunikationen. - In Tirol musste die Ortlerstellung infolge der plötzlichen großen Schneefälle geräumt werden. - Die italienische 35.ID. (mit der Brigade Cagliari), zuletzt M.Majo, ist nach Saloniki abgegangen.

Hindenburg und Conrad haben gestern Abend die Bestimmungen für die einheitliche oberste Kriegsleitung und einen geheimen Zusatzartikel unterzeichnet. Das Inkrafttreten erfolgt erst nach Genehmigung des Sultans und des bulgarischen Königs. Wesentliche Bestimmungen: Zur Sicherung der einheitlichen Führung der künftigen Operationen übernimmt der Deutsche Kaiser die Oberleitung der Operationen der Zentralmächte und ihrer Verbündeten. Hoheitsrechte der obersten Kriegsherren bleiben unberührt. Oberleitung erstreckt sich auf die der Gesamtlage entsprechende einheitliche Anlage und Durchführung der Operationen im Großen (grundlegende Ziele der Operationen, hiefür zu verwendende Kräfte, Befehls- und Unterordnungsverhältnisse). Die Armeekommandanten, (Generalstab) und Generalstabschefs stehen dem Deutschen Kaiser zur Verfügung und sind vor jeder wichtigen Entscheidung, die Gesamtinteressen berührt, zu hören. Dabei wird vollständiges Einvernehmen angestrebt werden. Entscheidungen des Deutschen Kaisers sind für alle Wehrmächte bindend. Dem Deutschen Kaiser ist über Situation der Streitkräfte, operative Absichten, Machtmittel, deren Verteilung und Verschiebung fortlaufend zu berichten. Fertigung der Entscheidung: „Für die Oberste Kriegsleitung“ vom Chef des Generalstabes des Deutschen Feldheeres. Führung der Verhandlungen durch Deutsche Heeresleitung, Anregungen von jeder der verbündeten Heeresleitungen. Dienstlicher Verkehr mit den Obersten Kriegsherren und Zivilbehörden erleidet keine Änderung. Zuführung und Materialversorgung zu gemeinsamen Operationen obliegt den zuständigen Heeresleitungen. Inkrafttreten dieser Bestimmungen nur im Falle der Zustimmung der Obersten Kriegsherren aller verbündeten Wehrmächte. - Der geheime Zusatzartikel enthält für den Deutschen Kaiser die Verpflichtung, sich sowohl bei Führung der Operationen, wie bei jeder Art in die Kriegführung einschlägiger Verhandlungen vom Grundsatz leiten zu lassen, den Schutz und die Integrität der Gebiete der österreichisch-ungarischen Monarchie jenen des Deutschen Reiches gleichzuhalten. Wenn in Fällen, welche diese Integrität betreffen, das AOK. sein Einverständnis nicht zu erklären vermag, wird nicht ohne Zustimmung unseres Kaisers entschieden werden.

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