Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
30.09.1916
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
30.9.1916

Früh zurückgekommen. Auf dem I-Schauplatz nichts Besonderes vorgefallen. Die Bereitstellung der 10.ITD verzögert sich; die Infanterie wird statt am 30.9. erst am 3.10. zu rollen beginnen. Die Gebirgsbrigaden der 5. Armee wurden jedoch unabhängig davon bereitgestellt; die eine rollt auch schon (8.); die 10. steht ab 2.10. früh zum Abtransport bereit.

Zu meinem Referat vom 25.9. hat Conrad geschrieben: „Mit Rücksicht auf die dermalige Kriegslage nicht aktuell. Ob sich im jetzigen Kriege noch einmal die Gelegenheit bieten wird, Italien entscheidend anzugreifen, ist fraglich, aber möglich. Auf welcher Basis dann dieser Angriff aufzubauen sein wird, ist jetzt nicht abzusehen. Der Angriff aus 2 Fronten, wie er ja auch den Aufmarschelaboraten vor Kriegsbeginn zu Grunde lag, ist jedenfalls der wünschenswerteste. Die seinerzeitige Lage wird aber entscheiden, ob dabei der Hauptangriff aus Tirol oder im Isonzogebiet zu führen sein wird. Verfügbare Kräfte, möglichst raschere, rechtzeitige Versammlung, Chancen, die sich dem Angriff darbietende italienische Hauptkraft zu schlagen, Raum bis zu welchem Feind etwa vorgedrungen ist u.s.w. werden dabei mitbestimmend sein, ebenso auch Jahreszeit (Wetter).

Die Erfahrung hat bewiesen, dass vor Mitte Mai mit großstiligen Gebirgsoperationen nicht zu rechnen ist. Allerdings stehen wir jetzt der Ebene näher, als 1916 im Frühjahr. - Das Schwergewicht der Lage liegt jetzt bei Russland. Sieht Russland von der Fortsetzung des Krieges ab, dann fällt alles andere von selbst. Ist es gewillt, den Krieg weiterzuführen, dann wird es uns nicht die Möglichkeit bieten, die für eine entscheidende Offensive gegen Italien erforderlichen Kräfte von der russischrumänischen Front abzuziehen. Auch ist es kaum wahrscheinlich, dass Russland einen Separatfrieden schließt, der unsere im Osten gebundenen Kräfte gegen Italien frei machen würde. Der Eintritt eines solchen Glücksfalles gäbe uns dann allerdings weitgehende Chancen. Er ist kaum zu erwarten, aber schließlich, wie das Unwahrscheinlichste in dieser Welt der Überraschungen immerhin möglich, daher wie vorstehend diskutabel. Konkrete Maßnahmen, außer der Vorsorge einer möglichst großen Verpflegsreserve in Tirol, erscheinen dermalen nicht aktuell.“ - Diese sehr interessanten Bemerkungen zeigen, wie sehr doch der Gedanke eines Separatfriedens mit Russland in den Köpfen spukt und dass der Chef eigentlich an einen neuen Angriffsfeldzug gegen Italien gar nicht denkt. Metzger sagte mir übrigens, die Sache wird trotzdem bei der Deutschen Obersten Heeresleitung zur Sprache gebracht werden. - Auch die Frage der Kommandoverhältnisse an der Südwestfront wird wieder aktuell. Eugen tut alles, um dieses Kommando wieder zu bekommen. Dies geht auch aus einem in jüngster Zeit geschriebenen, sehr gekränkt klingenden Akt über die politischen Machtbefugnisse hervor. Ich bin keineswegs grundsätzlich dagegen, dringe aber darauf, dass das AOK diesen Entschluss selbst fasst und ihn sich nicht abnötigen lässt. Aus diesem Grunde werde ich bis heute abends über die Angelegenheit kurz schriftlich referieren. - Bei letztem Zusammensein des Chefs mit dem Erzherzog Karl hat sich letzterer sehr angelegentlich um ein Kommando in Tirol beworben, und zwar für den Fall, dass Eugen wieder das ganze bekäme. Conrad hat diese Lösung sehr mit Recht abgelehnt; das wäre schon das allerhöchste, dass wir dann noch eine Zwischenstelle hätten! In Wien kommt Bolfras jedes Mal auf die Angelegenheit des einheitlichen Oberbefehls an der Südwestfront zurück. Chef hat sich bisher nicht bindend ausgesprochen, ist aber nach seinem Besuch bei Boroević der Auffassung, dass es nur von Übel wäre, wenn man Eugen (das heißt Krauss) dem 5.AK. vorsetzen würde. Mein Hauptbedenken betrifft die vollständige Ausschaltung des AOKs., auch für die Zukunft und für den Fall eines eventuellen Angriffskrieges. Doch wollen wir die Sache nochmals grundsätzlich und objektiv überlegen. - Nachmittags arbeite ich an dem Referat über die künftige Regelung der Befehlsverhältnisse an der Südwestfront. Komme zum Ergebnis, dass eigentlich Bildung zweier Heeresgruppen, Erherzog Karl in Tirol, Erzherzog Eugen über 5. und 10. Armee, das Beste wäre.

In Rum- und R-Gruppe großer Gasdampf. Bei 1. Armee geht es schief. Huber scheint vollständig zu versagen; fragt wegen jeder Verschiebung u.s.w. an. 1.Armee wurde heute „provisorisch“ der 9. unterstellt. - Um 10 Uhr abends noch die Meldung der 5. Armee, dass nachmittags die Feuertätigkeit des Feindes auffallend zunahm. Seine Artillerie und Minenwerfer, vielfach auch schwere und schwerste Kaliber, betätigten sich sowohl gegen unsere Stellungen im Wippachtal, als auch besonders gegen die Karsthochfläche. Im südlichen Teil derselben Eindruck des planmäßigen Einschießens. Äußerst reger Verkehr hinter der Front. - Es kann also notwendig werden, die 10.Gebirgsbrigade zurückzuhalten; mache darauf Metzger schon heute aufmerksam.

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