Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
01.09.1916
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
1.9.1916

Grey wird gegen Griechenland zusehends energischer. Vom König wurden kategorische Versicherungen gefordert, dass sich Griechenland dem bulgarisch-deutschen Vormarsch auf Larissa oder Athen widersetzen wird. „Wenn man eine befriedigende Versicherung nicht erreiche, so würde dies ein griechisch-bulgarisches Einverständnis beweisen“ und der König würde „mit größter Energie“ „verwarnt“ (schiefe Ursache) werden.

Nach der lebhaften Gefechtstätigkeit des gestrigen Vormittages beschränkte sich der Feind nachmittags und abends auf Geschützfeuer gegen Cronberg und den M.Santo. Mehrere feindliche Angriffsversuche wurden abgewiesen. Auf den Stellungen des XX.Korps lag lebhafteres Artilleriefeuer. - Wetter neigt zur Ausheiterung, daher Angriffe umso eher zu erwarten.

Nachmittags ½ 6 Uhr Hindenburg hier beim Chef auf etwa ½ Stunde zu Besuch. Eine wirklich imponierende Erscheinung, vor allem ein Riesenkopf; Gesicht ziemlich blass; mächtiger Panzerbauch. Wie er Conrad begrüßt, nimmt er die Pickelhaube ab. - Von uns niemand beim Empfang - der überhaupt wieder nicht geklappt hat, denn auch Conrad kam zu spät. Kurz: echt österreichisch.

Bei Süd-Armee geht es nicht gut. VI. und XIII. mussten zurück und zwar, wie ich höre, unter großen Verlusten. Man hat immer mehr den Eindruck, dass unsere Truppen den Russen nicht standhalten können. Auch Seeckt soll sich in diesem Sinn sehr scharf ausgesprochen haben. - Dabei will man noch nicht zur Einsicht kommen, dass wir zumindestens deutsche Führer brauchen. - Ein solcher sollte gegen Rumänien kommandieren; man lobte aber Arz über den grünen Klee, - und er blieb.

Meine Aufzeichnungen werden jetzt öfter recht anekdotisch (faute de mieux). - Hindenburg tat heute den Ausspruch! „Ich sehe die Lage gar nicht für so schlimm an; man muss sie nur ordentlich verhauen.“ Falkenhayns Absetzung beschäftigt natürlich noch immer die Gemüter; nach Urteil der Deutschen sollen die Keime bis zum „Kindermord von Ypern“ zurück datieren, weil er diesen Angriff anbefohlen hatte und so viele Familien der deutschen Intelligenz durch die großen Verluste getroffen wurden. - Noch ein „Hindenburg“. Bevor er wegfuhr, gab er Cramon den Marschallstab zum Halten und sagte laut. „Sie dürfen ihn halten; schauen Sie, dass Sie ihn auch kriegen.“ - Merkwürdig - oder eigentlich für den Seelenkenner nicht merkwürdig: Der Mann hat plötzlich gute Stimmung nach Teschen gebracht, sogar auf die eingefleischten Pessimisten à la Kageneck hat sich das übertragen! Und als ob das Schicksal mithelfen wollte: Abends von der russischen Front lauter gute Nachrichten. Alle Angriffe unter furchtbaren Verlusten der Russen abgeschlagen. Auch bei Süd-Armee ist die Sache so ziemlich ausgebessert.

Nach den bis 7 Uhr abends eingelaufenen Meldungen bei 5. Armee außer dem gewöhnlichen Artilleriefeuer bis 3 Uhr keine besondere Kampftätigkeit. Bei 10. Armee im Plöckenabschnitt mehrstündiges, äußerst heftiges feindliches Artilleriefeuer gegen K. und G. Pal und Freikofl; hierauf lebhaftes Artillerie und Minenwerferfeuer. Ein Angriffsversuch gegen Kleinen Pal abgewiesen. - Auch im Abschnitt Hermagor erhöhte Artillerietätigkeit. HG.: Im Etschtal verhält sich die italienische Artillerie seit mehreren Tagen auffallend ruhig. Sonst bei 11. Armee normale, an Fleimstalfront nur zeitweise, im Raum Rufreddo beiderseits lebhafte Artillerietätigkeit. Mehrere schwächere Angriffe abgewiesen. - Mit der festgestellten Verlegung der Radiostation des XXII. Korps (von Foza nach S.Giacomo di Lusiana) kann die Verlegung eines weiteren Korpskommandos (und vielleicht auch weiterer Truppen?) von der Südtiroler Front zusammenhängen.

Abends teilt mir Buszk mit, dass nach Aussage russischer Gefangener morgen der „vom Kaiser angeordnete Generalangriff“ zu erwarten sei. Ich sehe keine Veranlassung, unsere Kommandos im Südwesten zu verständigen; sie erwarten den Angriff ohnedies, der Tag muss aber - schon wegen des Einflusses des Wetters an unserer Front - nicht übereinstimmen.

Spät abends noch die Nachricht, dass Orsova aufgegeben werden musste.

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