Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
12.09.1916
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
12.9.1916

Früh erzählt mir Kageneck, dass schon wieder Differenzen zwischen den beiden Chefs aufgetaucht seien und zwar wegen der Kommandoführung in Siebenbürgen. Arz habe nämlich gar keine Selbständigkeit; muss wegen Ausladung und Vorverlegung jeder Division anfragen. Morgen wieder, der sehr verwöhnt ist, kann sich mit der Qualität unserer Truppen nicht abfinden; sendet über jede Division einen vernichtenden Bericht u.s.w. So ist die 61. in beständigem Zurückweichen. (Unsere Truppen gingen bis in die Linie Palata im Maros Tal, östlich Parajd im Kokeltal, Szt.Egyházas in der Hargitta zurück. Diese Linie etwa gestern mittags). Dragoilov unkt ununterbrochen und beschuldigt natürlich wieder mich, dass die Divisionen von der Südwestfront nicht rechtzeitig gefahren wären. Sancta simplicitas!

Vormittags spricht Kageneck neuerdings über den neuen Streit zwischen den beiden Chefs. Cramon ist nach Pless gefahren. Kageneck lässt auch keinen Zweifel darüber, dass der Aufenthalt der Frauen in Teschen einen ernsten Angriffspunkt bieten wird. Entschließe mich, in dieser Sache mit Metzger zu sprechen und ihn vollkommen aufzuklären.

Operativ handelt es sich um die Grundfrage, ob an dem Entschluss Ludendorffs, die Rumänen bei Hermannstadt anzugreifen (also in Südsiebenbürgen) festgehalten werden soll, obwohl jetzt die Front in Nordsiebenbürgen (nördlicher Flügel der 1. Armee) wackelt. Obwohl ich die Lage nicht in allen Einzelheiten kenne, bin ich entschieden für das Festhalten am Entschluss. Nur so ist etwas Gründliches zu erreichen. Mögen die Rumänen im Norden kommen, wie weit sie wollen, eine gewonnene Schlacht im Süden bringt ihr ganzes Gebäude zum Wackeln. Auch soll man froh sein, dass man endlich einmal irgendwo operieren kann und daher schon die Entscheidung nicht wieder „im engeren Anschluss“ suchen. Ludendorff soll übrigens mit seiner Ansicht ziemlich allein stehen. Conrad, Metzger, Cramon, das Gros der R Gruppe einschließlich Dragoilov sind dagegen.

Mittagsresümee: Nachmittags war das feindliche Infanteriefeuer gegen die Hochfläche von Comen bedeutend lebhafter als in den letzten Tagen. Nachts hielt dieses Feuer an; auch wurden der Tolmeiner Brückenkopf und die Höhen östlich Salcano zeitweise überfallsartig beschossen. Unternehmungen unserer Jagdkommandos brachten 2 feindliche Vorstellungen in unseren Besitz; 30 Gefangene. - Bei 11. Armee erneuerte der Feind seine demonstrativen Angriffe gegen die Front M.Spil - Majo an mehreren Stellen und wurde überall glatt abgewiesen. Unser Verlust gering, der feindliche beträchtlich. Solider Eindruck.

Nachmittags melde ich Metzger die Sache von den Frauen; ich sage, dass ich aus Gespräch Kagenecks den Eindruck gewinne, man beschäftige sich in Pless intensiv mit der Anwesenheit der Frauen in Teschen und speziell der Frau des Chefs; dieses letztere anscheinend auch in dem Sinne, dass man daraus eventuell einen Angriffspunkt konstruieren könnte. Sage auch ganz offen, dass es schade wäre, wenn ein großer Mann an so etwas zu Fall käme. Metzger nimmt die Sache ruhig und anscheinend dankbar auf und sagt mir, er werde mit Kundmann darüber sprechen; allerdings sei eine Änderung schwierig, weil der Chef in diesem Punkt am verwundbarsten sei. - Die Kommandofrage in Siebenbürgen ist geregelt. Arz behält die 1. Armee in Nord-Siebenbürgen; den südlichen Abschnitt übernimmt das deutsche 9. Armeekommando, Falkenhayn; erster Standort Arad.

Von unserer Front: Die 10.Armee wird die. 3 anbefohlenen Bataillone bis 14. bereitgestellt haben; natürlich nicht ohne ihre schwierige Lage und die Notwendigkeit der Verstärkung durch eine Gebirgsbrigade zu betonen. - Das 5.AK. antwortete auf unsere Anfrage, wie Lage und Gefechtsverhältnisse bei einem großen Angriff gegen den Nordteil der Karsthochfläche, wo die Grabentiefen am geringsten sind, beurteilt wird: Es habe keine besonderen „Besorgnisse“, da die Deckungen seit der letzten taktisch - technischen Situationsmeldung an Stärke gewonnen haben. (In dieser Meldung: Nordteil des Comenplateaus nur 20 cm Grabentiefe.) - Abendresümee: Gegen Nordteil der Karsthochfläche andauernd, gegen Südteil zeitweise Artillerie- und Minenwerferfeuer. - Bei 10.Armee im Allgemeinen etwas lebhafteres Artilleriefeuer. - Heeresgruppe: Die demonstrative Tätigkeit des Feindes zwischen Etsch und Astachtal hat nachgelassen. Der Angriff eines Zuges gegen den M.Corno wurde abgewiesen. - An der Fleimstalfront Eindruck des Einschießens gegen Fassaner Kamm, Raum Paneveggio und Lusia. In Tirol und Kärnten Niederschläge, an der Tiroler Westfront von 2.000 in den Dolomiten von 28o m Seehöhe an Schnee. - Feind: In den Kämpfen bei 11. Armee wurden nur die in diesem Raum vermuteten Truppen festgestellt. Es liegen Anzeichen vor, dass sich auch gegen das Flitscher Becken ein - vielleicht als größere Demonstration gedachter - Angriff vorbereitet.

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