Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
11.09.1916
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
11.9.1916

Im R-Zimmer wieder Panikstimmung, weil die 61.ITD im Hargitagebirge zurückgegangen ist. Man spricht schon von einer Umfassung des südlichen Flügels der russischen Front und von einer großen rumänischen Offensive (und zwar wegen der Niederlage in Dobrudscha 1) gegen Nagy Várad!

Es wird nach allen Nachrichten immer deutlicher, dass sich der italienische Angriff gegen zahlreiche Frontstellen, anfangs allerdings nur demonstrativ, richten dürfte. Wir stellen daher auch in Kärnten 3 Bataillone für eventuelle Verschiebungen an die Südwest Front bereit. Weiters wird, damit volle Klarheit herrscht, die 10.GbriG. als „Reserve des AOK“ an der Bahn gehalten und das 5. AK. verständigt, dass es auf die ihm seinerzeit in Aussicht gestellte weitere Brigade nicht zu rechnen hat.

Mittagsresümee: 5.Armee, auch gestern nachmittags wieder erhöhte feindliche Artillerietätigkeit gegen das Plateau von Comen und die Höhen östlich von Salcano; stellenweise hielt das Feuer bis spät nachts an; gegen den Panowitzer Wald und beim Görzer Friedhof gehen die Italiener mit Sappen vor. Zwischen Salcano und Görz wieder 2 neue Brücken. Andauernd Schleppverkehr im Sdobbagebiet. Bei 11. Armee mehrere Angriffe (am Corno, Pasubio, hier durch Gegenangriff) abgewiesen. Feind: Vor Plava ist neue Artillerie eingetroffen. Der seit längerer Zeit andauernde intensive Verkehr im Sdobbagebiet lässt vermuten, dass der Gegner dort schwere Geschütze (guter Flankierung!) in Stellung bringt; vielleicht beabsichtigt er auch eine Unternehmung mit flach gehenden Booten.

Zwischen Italien und den übrigen Ententemächten bestehen ziemliche Differenzen; so weil es nicht zur Teilnahme an der Flottenaktion vor Athen aufgefordert wurde; dann wegen der beabsichtigten Vereinigung Serbiens mit Montenegro, die den Italienern sehr ungelegen käme, namentlich wenn Cattaro in die Hände Montenegros oder eines vergrößerten Serbien fiele.

Am 9. September sagt Neratow (der Gehilfe des russischen Ministers des Äusseren) dem Marquis Carlotti, dass seiner Ansicht nach (mit allem Vorbehalt der Ansicht des Oberkommandos) Rumänien in Siebenbürgen nur die für die Verteidigung notwendigen Truppen belassen und seine Anstrengungen auf die Offensive mit den Verbündeten gegen Bulgarien verlegen sollte. „Der Eindruck in Bukarest war stark. Ein Wechsel des gegenwärtigen Kabinetts ist nicht voraussichtlich.“

Abendresümee: Mäßiges Artilleriefeuer gegen den Tolmeiner Brückenkopf, die Höhen östlich Salcano und die Front von Oppachiasella bis zum Meer. Feind befestigt die Südlisiere von Görz. Vom Nordteil bis zum Becken von Laghi lebhafte feindliche Artillerietätigkeit; Ansammlungen des Gegners und vereinzelte schwächere Vorstöße wurden vereitelt. - Trübes Wetter, geringe Gefechtstätigkeit. - Bei S.Giovanni di Mangano war vormittags eine Truppenparade über etwa 5.000 Mann, die mit Autokolonnen aus dem Raum, westlich Cormons dorthin gebracht wurden. (Es könnte sich um Truppen handeln, die aus dem Bereiche der 2. Armee abgehen. - Balkan?? Tirol??). - Abends sagt mir Metzger, Ludendorff habe eine Frontverkürzung in Südtirol nahegelegt, um Truppen für Siebenbürgen zu gewinnen. Leider bekam ich das Ganze nicht zu sehen, sodass ich mich darauf beschränken muss, Daten für die Antwort zu geben, und zwar auch das in aller Eile. Es stehen jetzt an der Etsch - Suganer Front 80 Bataillone von uns gegen 180 feindliche. Wenn wir die Front verkürzen, so können wir vielleicht 3 Divisionen, das sind 30 Bataillone herausbekommen. (In der Antwort wird unnötigerweise gesagt: nicht einen Mann, was gewiss nicht wahr ist). Die verbleibenden 50 Bataillone dürften in der kürzeren Front halten können. Die Italiener bekämen aber vollste Freiheit des Handelns, vermöchten, sich todsicher fühlend, unseren 30 Bataillonen vielleicht 50 gegenüber zu belassen, bei einem radikalen Entschluss auch weniger und daher nach einiger Zeit mit 100 Bataillonen an den Isonzo zu gehen. Auch ist die jetzige Stellung im Terrain und in der Ausgestaltung stärker als jene, die wir vor der Offensive inne hatten; ganz abgesehen von der unberechenbaren moralischen Einbuße, die ein neuerlicher Rückzug zur Folge hätte. überdies wären auch materielle Einbußen zu befürchten, da für den Winter sehr viel investiert ist; man denke nur an die Barackenbauten und Seilbahnen. Ganz besonders gefährlich wäre die Sache, wenn sie rasch erfolgen müsste. Das Wesentliche bliebe aber immer das gesamte Kräfteverhältnis an der Südwest Front, dass eine höhere Anspannung ohne Gefahr größerer Misserfolge an entscheidender Stelle, nämlich gegen Triest, kaum mehr zulässt. Wie gesagt, es ist aber sehr schade, dass man solche Sachen nicht rechtzeitig zu sehen bekommt und die Antwort nach Inhalt und Ton nicht gründlicher durcharbeiten kann.

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