Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
05.10.1916
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
5.10.1916

Auf der Karsthochfläche ist die Artillerieschlacht in vollem Gange. Unsere Stellungen stehen wieder unter Minen Massenfeuer; die schwere Artillerie des Feindes wirkt hauptsächlich gegen die rückwärtigen Räume. Stellenweise versuchte auch die italienische Infanterie anzugreifen, sie wurde jedoch durch unsere Geschützwirkung niedergehalten. Auch im Wippachtal war die Gefechtstätigkeit bedeutend reger. In den nördlichen Abschnitten verhältnismäßig Ruhe. - Bei 10. Armee erhöhte Kampftätigkeit im Plöckenabschnitt; nachtsüber gegen K.Pal starkes Minenfeuer. Bei 11. Armee stellenweise Artillerie- und Minenfeuer. An der Fleimstalfront andauernd Geschützkampf von wechselnder Stärke. Im Colbricon Gebiet hat der Feind auf der Höhe Fuß gefasst, von der aus er unsere Dossaccio- und Ceremanastellungen flankieren kann. Wiedergewinnung dieses Punktes ist beabsichtigt. - Fmlt. Guseck hat Befehl im Bereich des XXI. Korps übernommen.

Fasse mittags den Entschluss, sobald als möglich zur 5. Armee zu fahren, um selbst zu sehen. Metzger bewilligt mir dies; will aber morgen vormittags wegfahren und übermorgen in Adelsberg sein; dann gleich den Tag zur Fahrt zu den beiden Korpskommandos ausnützen, die Nacht eventuell zur Weiterfahrt an die Front; kann Montag den 9. wieder hier zurück sein. Mitzchen wird natürlich zu kurz kommen - das ist aber der Krieg!

Nachmittags kommt Pflug zurück. Er erzählt mir, dass es mit unserer Industrie nicht klappe, und zwar hauptsächlich deshalb, weil Lieferungen über das Jahr 1917 hinaus nicht vergeben werden (wegen Bedenken der Finanzminister) und sich daher die Industrie über das jetzige Maß nicht einrichten will.

Abends Telegramm der OKL: „Trotz schwieriger Lage an der Somme hat die Deutsche OHL noch 1 Div. (12. bayr.) und von Obost eine verstärkte Kavallerie Brigade (8.K.B.) nach Siebenbürgen in Marsch gesetzt. Ich bitte im Auftrage Seiner Majestät des Deutschen Kaisers nochmals zu erwägen, ob nicht weitere Kräfte von der italienischen Front für Siebenbürgen freigemacht werden können, um es hier wirklich zu einer durchschlagenden Entscheidung zu bringen, v. Hindenburg.“ Antwort sehr höflich, aber ablehnend. Tenor: Wenn es die Lage zulässt, kommen weitere Kräfte. - („Zu meinem Bedauern bin ich gegenwärtig nicht imstande, den bisher von der Südwest-Front für Siebenbürgen abgegebenen 3 Gebirgsbrigaden weitere Kräfte folgen zu lassen, da nach der 5tägigen, für unsere Truppen sehr verlustreichen Artillerievorbereitung eine kräftige Erneuerung des auf Triest abzielenden italienischen Angriffes zu erwarten ist. Bei dem im Karst erfahrungsgemäß rasch eintretenden großen Kräfteverbrauch dürften unsere bescheidenen Reserven eben noch ausreichen. E.E. mögen aber versichert sein, dass ich für die auch mir außerordentlich wichtig erscheinende Entscheidung gegen Rumänien, sobald es die Lage zulässt, neuerliche Abgabe von der italienischen Front selbst anregen werde.“) Für alle Fälle wird auch die Bereitstellung einer Infanterie Brigade (5 Baon.) in Tirol zur eventuellen Verschiebung zur 5. Armee angeordnet; überdies drücke ich noch eine Mörser Batterie heraus. - Nach Abend - und Nachtmeldungen setzt der Feind sein - nun schon den 5. Tag anhaltendes Artillerie - und Minenfeuer gegen die Karst Hochfläche mit äußerster Heftigkeit fort. Unsere Stellungen, Sammelräume, Beobachtungspunkte und Anmarschwege wurden arg mitgenommen; die Verluste der tapfer durchhaltenden Besatzungen sind schwer. Dem VII.Korps wurden 2 Regimenter der Armeereserve zur Ablösung zur Verfügung gestellt. Auch in den übrigen Abschnitten nimmt die Feuertätigkeit stellenweise zu. An Fleimstalfront bedeutend erhöhte Kampftätigkeit. Gegen einzelne Abschnitte des Fassaner Kammes und die Front Colbricon-Dossaccio starkes Artilleriefeuer. Ein Angriff auf Busa Alta abgewiesen; im Colbricongebiet wird Angriff erwartet. Nördlich des Pellegrinotales wird die Front P.le Selle - Col. Ombert lebhaft beschossen. Alpini, die gegen P.le Selle angriffen, wurden zum Stehen gebracht. - Abends bespreche ich noch mit Metzger die Fragen, die mir Boroević eventuell stellen könnte. Fragt er nach Krauss, so werde ich sagen, dass vorläufig keine Änderung in den Befehlsverhältnissen an der Südwestfront zu gewärtigen ist. Über Rumänien kann ich andeuten, dass später weitere Kräfteabgaben folgen dürften. Vom Zuschieben neuer Kräfte (das heißt der Tiroler Brigade) würde ich erst dann sprechen, wenn ich die Notwendigkeit dieser Verstärkung erkannt hätte; dies gebe ich Kless durch ein harmlos aussehendes, verabredetes Telegramm „Komme Montag an“ bekannt. Über die Zukunft des südwestlichen Kriegsschauplatzes werde ich selbstverständlich absolutes Schweigen beobachten; „im Gegenteil“, die Notwendigkeit intensivsten Stellungsausbaues kräftig unterstreichen. - Abends zeigt mir Metzger noch einen Entwurf des Chefs, worin dieser an einen eigenen Angriff auf der Karsthochfläche denkt. Dies gründet er auf die Erwägung, dass wir auch jetzt große Verluste haben, es daher vorzuziehen sei, aktiv zu werden und einen positiven Erfolg zu erzielen, den er nach den Kräfteverhältnissen nicht für ausgeschlossen hält. Dies ist aber nach meiner Ansicht ein großer Irrtum. Erstens würde mit unseren Truppen ein überraschender Angriff (und diesen stellt sich Conrad vor) womöglich in der Nacht, nie gelingen. Aber selbst vorausgesetzt, es gelänge, in die vordersten feindlichen Stellungen einzudringen, so stieße man bald auf die übermächtigen Reserven und vor allem auf das Feuer einer überlegenen Artillerie. Es widerspräche aber auch der ganzen Kriegslage, jetzt im Südwesten aus der Verteidigung herauszutreten. Unsere Front muss ruhig bleiben; selbst auf die Gefahr örtlicher Einbußen und großer Verluste, damit in Rumänien ruhig tüchtige Arbeit getan werden kann.

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