Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
17.11.1916
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
17.11.1916

Italienische Zeitungen schroten letzte Schlacht furchtbar aus. Daher über Wunsch Glaises gestern einen ganz kurz zusammenfassenden Artikel über bisheriges Ergebnis italienischer Offensiven im Küstenland verfasst. Dürfte heute oder morgen erscheinen.

Heute früh lese ich die Meldungen über den Gang der letzten Isonzoschlacht nach. Am 1. Novemher war dem Feind sein um 11 Uhr vorm. angesetzter Massenstoß auf der Karsthochfläche gelungen. Er führte ihn in den Besitz unserer Stellungen vom Plateaurand bis Hudilog. „Mit bisher noch nicht gekannter Energie versuchten die Italiener, ihren Erfolg auszunützen und nachzudrängen. Dem zähen Aushalten von Teilen des IR 11 in den Stellungen am Nordhang des Plateaus und des LIR 27 südlich von Hudilog, sowie dem entschlossenen Eingreifen der Brigadereserven war es zu danken, dass es gelang, den bereits nahezu 2 km gegen Osten vorgedrungenen Feind wieder bis in die Linie 343-308 östlich Pecinka zurückzudrängen und im Anschluss daran die eigenen Stellungen südlich der Straße Oppachiasella Kostanjevica wieder zu gewinnen. Gegen die Einbruchstelle wurde ein Gegenangriff von 8 Bataillonen angesetzt.“ (Nachtmeldung 1.11.). - Dieser Angriff kam 2. November vormittags zunächst gut vorwärts; dann setzte aber nach heftigster Artillerievorbereitung ein neuer Massenstoß ein, der unsere stark zusammengeschmolzene Infanterie in den ersten Nachmittagsstunden wieder zum Weichen brachte. Schon am 1. November hatte das AK. die 17. ITD dem VII. Korps, die 16. der Gruppe Schenk, das IR. 21 dem XVI. Korps, das ebenfalls aber mit geringerer Wucht angegriffen wurde, zur Verfügung gestellt, - Am 2.November in den ersten Nachmittagsstunden traf „für alle Fälle“ die 17.ITD. in der zweiten Stellung Fajti - Kostanjevica ein, um für einen neuen Gegenangriff längs der Kammlinie verfügbar zu sein. Nachmittags gelang es dem Feind „unsere stark zusammen geschmolzenen Kräfte am Nordteil der Karsthochfläche bis in die Linie Fajti hr. - Kost. - Korite zurückzudrängen“. Von der 55.Brigade und der 44.ITD waren nur mehr „schwache Reste“ vorhanden. Die eingetroffenen Teile der 14.ITD wurden in den Raum Fajti - Kost. - Temnica, die 20.HITD in jenen von Duttoule vorgezogen. Der Vormittag des 3. November verlief im Allgemeinen ohne groß angelegte Kampfhandlungen - . Der für 3 Uhr nachmittag geplante Gegenangriff des VII. Korps unterblieb infolge ungünstiger Sichtverhältnisse und weil die Bereitstellung der hiefür zusammengezogenen Verbände noch nicht beendet war. (Die 14. ITD konnte noch nicht das Schlachtfeld erreichen). „Es wird daher zunächst in der allgemeinen Linie Vertojba – Biglia – Fajti - Kost. – Korite - dann rechtwinkelig direkt nach Westen ausspringend bis zur alten Verteidigungslinie nächst 208 weiterer Widerstand geleistet und das Eintreffen der 14. und 20.ITD. abgewartet, worauf entschieden werden wird, ob Gegenangriff oder Verkürzung der Front durch Zurücknahme einzelner hervorspringender Teile sich als zweckmäßig erweisen wird. Am 4. kam es noch zu stellenweisen Kämpfen. - Die eigenen Gesamtverluste wurden bis 3.November auf 27.000 Mann geschätzt. Die feindlichen Angriffe am 4.11. konnten aber bereits abgeschlagen werden.

Heute eine wichtige deutsche Agentennachricht und eine äußerst interessante Sonnino-Depesche. Erstere handelt von den Besprechungen zwischen Cadorna und Joffre. Joffre hat Cadorna erklärt, dass das Angebot der italienischen Heeresleitung, die auf dem Dodekanes dislozierten Truppen zur Verstärkung Sarrails nach Saloniki zu dirigieren, nicht genügen könne. Italien müsse für die Einheitsfront größere und entschiedenere Opfer bringen als bisher; am dringendsten notwendig seien Verstärkungen an der französisch-englischen Front. Im Hauptquartier fand nach Rückkehr Cadornas unter Vorsitz des Königs eine Besprechung statt, in welcher beschlossen wurde, in Paris zu erklären, dass Italien im gegenwärtigen Augenblick in der Verwendung seiner Truppen absolut freie Hand haben müsse, soll die Aktion gegen Triest nicht gefährdet werden. Nach siegreichem Abschluss der derzeitigen Operationen sollten die Forderungen Frankreichs in gemeinsamem Einvernehmen erörtert werden. Der Vertrauensmann hielt sich zur Annahme berechtigt, dass Cadorna die Aktion im Karstgebiet neuerdings forcieren werde, Das Problem Triest wird nun in den Vordergrund treten; der Fall dieser Stadt würde die Kriegsbegeisterung in Italien in ungeahnter Weise beleben. - Gleichzeitig kommen von deutscher Seite auffallende Nachrichten darüber, dass die Italiener eine Offensive aus Südtirol erwarten. Diese Nachrichten sind offenbar lanciert. Ebenso fingiert ist die Besorgnis der Italiener, die sich in dem Telegramm Sonninos an Carlotti vom 16. ausspricht: Es bestätige sich, dass in Südtirol österreichische Truppen und Material und deutsche Truppen versammelt werden, um eine große Offensive gegen Italien vorzubereiten, welche sobald als möglich zu unternehmen sei, wahrscheinlich gleich nach dem rumänischen Feldzuge. Daraus wird natürlich gefolgert, dass Italien nicht einen Mann für andere Fronten abgeben könne. - Jedenfalls kommt, wenn es uns gelingt, den nächsten Angriff am Karst abzuweisen, eine böse Zeit für Cadorna, denn dann werden sich die Engländer und Franzosen nichts mehr weismachen lassen…

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