Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
08.05.1916
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
8.5.1916

Gegen Mittag „erzählt" mir Salis am Hughes, dass er gestern bei einer Besprechung beim 11.AK. war. Man ist dort mit dem Wetter und seinen Folgen ganz zufrieden, zu meiner Beruhigung sagt er mir (ich war nie beunruhigt, hatte und habe aber allen Grund, die unentschlossene Gesellschaft aufzurütteln), dass sich das 11 AK. natürlich nicht an den 17. Mai binde, sondern sobald die Möglichkeit erkannt wird, auch „vorhalten“ wird. Andererseits wäre ein bestimmter Tag, ob er nun vom 11.AK. festgesetzt oder vom AOK befohlen wird, unter Umständen vielleicht nicht genau einzuhalten, weil an einem wolkigen Regentag, wie heute, die Tätigkeit der Artillerie nahezu ausgeschaltet ist. In den Gründen, die das 11. AK. für seinen Plan angab, wurde „in der Eile ein sehr wesentlicher nicht aufgenommen; das gewählte Verfahren verhindert auch, dass der Feind die sehr unangenehme flankierende Wirkung seiner im Vorfeld des XX. Korps stehenden Batterien gegen den Angriff des III. Korps ausnützen kann". Ich antworte ziemlich ausweichend; denn ich erblicke in diesem Gespräch nur die Absicht, den - wahrscheinlich gefürchteten Befehl, zu verhindern oder doch um einige Tage hinauszuschieben, bis wieder eine neue Ausrede gefunden wird. Ich sage etwa, das AOK habe sich den von der 11. Armee geltend gemachten Gründen nicht verschlossen. In dem Befehl, der eine eventuelle Anordnung des Zeitpunktes betrifft, ist selbstverständlich damit gerechnet, Dass dann noch immer eine Verzögerung durch das Wetter eintreten kann. Übrigens würden nur zwingende Gründe, die aber nicht ausgeschlossen sind, zu dieser Anordnung führen. Natürlich wäre eine Verschiebung des Termins aus vielen Gründen, die teilweise auch beim Heeresgruppenkommando bekannt sind, sehr erwünscht. Was die Eismänner und den Vollmond betrifft, so sind diese Argumente wissenschaftlich nicht haltbar. Salis spricht auch noch die feste Überzeugung aus, Dass das 11.AK. den Tag so frühzeitig festsetzen wird, als sich für die Durchführung des Entschlusses verantworten lässt.

Nach Vormittagsmeldungen in Tirol auffallend heftiges Feuer gegen Fleimstalfront; wird aber nicht viel zu bedeuten haben.

Bei 5. Armee wurde westlich der Kirche von S. Martino eine feindliche Stellung in 60X Breite von 60X zerstört. - Wetter im Angriffsabschnitt zeitweise Regen. Schneehöhen bei XX noch immer 36 - 85 cm, dürften daher nach den Voraussetzungen des 11.AK. bis 13. Mai auf 0 - 50 cm gesunken sein. (Auffallend ist die ganz verschiedene Abnahme der durchschnittlichen Schneehöhen auf 5 Punkten von gleicher absoluter Höhe - 16 – 1700 m - innerhalb der letzten Tage: Finocchio 100, Plaut 84, Pioverna 45, Durer 30, Coè 25). - An der Angriffsfront sind nun 17 feindliche Brigaden zu vermuten - Beim Rapport schlage ich Metzger vor, er möge heute mit Pichler sprechen, etwa unter dem Vorwand, Dass man uns über den Entschluß möglichst rasch orientieren möge, und dabei auch wieder ein bisschen auf Beschleunigung drücken. Dies wird in Aussicht genommen. - Nachmittag: Situation der 5. Armee vom 1. April zeigt, dass 3 Brigaden in Armeereserve und auch sonst Lage recht günstig; überall kleine Reserven. - Ein Bericht über Rohrscheidt: Dieser ist also gar nicht Generalstäbler, trachtet aber, seine Eignung zum Generalstab durch besonders interessante Berichte darzutun; für die er das Material durch suggestive Fragen (zum Beispiel: jetzt wird doch der Angriff sehr schwer sein, oder die vielen Geschütze wären besser vor Verdun versammelt). Krauss will Überwachung erreichen oder Ablösung. Das geht aber nicht. Schlage ein Konzept vor, in dem es als bestes Gegenmittel bezeichnet wird, wenn unsererseits immer vollste Zuversicht zum Ausdruck gebracht wird. Dabei Meinung, dass auch Nachrichten, die aus der Front kommen, optimistisch sein sollen, da dies auf Hinterlandstimmung und durch diese auf Kriegsanleihe großen Einfluss hat. - Heute auffallender weise längere Besuche von Fleck und Kageneck. Zeige vollste Zuversicht und begründe sie auch; die Kerls sollen nur sehen, dass wir auch wissen, was wir wollen. Kageneck erzählt mir, hier sei wieder alles beschissen (ich weiß das, Glas, Brandner und der Katzelmacher Appollonio schwärmen schon für die Vogesen); Ceschi hat Kageneck erzählt, die Italiener hätten schon 40 Divisionen an unserer Angriffsfront. Den Kerl nagle ich doch an; denn jetzt wird das Miesmachen schon zu dick. - Abends spricht Metzger mit Pichler, der auch Exzellenz geworden ist, und betont die Wichtigkeit rascher Verständigung vom Entschluss. Pichler sagt, er sei sich der Bedeutung des Zeitpunktes bewusst; der Entschluss wird ohne Verzug gefasst werden, sobald die Bedingungen gegeben sind. Heute sei aber elendes Wetter, vermutlich die Eismänner (da hieße es also: bald marschieren).

Nach den Abendmeldungen infolge des schlechten Wetters nur geringe Gefechtstätigkeit. Von 3. Armee wurden die 2. GBrig. in den Raum S.Lugano - Truden, also gegen das Fleimstal verschoben, vermutlich um dort die demnächst abmarschierende 48.ITD zu ersetzen. Im Adamellogebiet wurde die Besetzung verstärkt; es stehen nun von der Presanella bis zum Cop di Casa 3 ½ Bataillone. Östlich S.Martino beim Feind eine Angstsprengung eines Minenstollens. Nach einer Schweizer Depesche im Valtellina italienische Verstärkungen, namentlich viel Gebirgsartillerie.

Abends schon wieder ein Champagnergelage, diesmal vom neuen Admiral veranstaltet; Dauer bis nach 1 Uhr! Das sollte es wirklich nicht geben; Zeit dazu ist genug, wenn wir den Sieg, den endgiltigen, in der Tasche haben.

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