Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
06.05.1916
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
6.5.1916

Gestern schon habe ich mit Metzger die Möglichkeit besprochen, dass ein früherer Operationsbeginn entweder vom AOK oder vom Heeresgruppenkommando angeordnet werden kann; sei es wegen sichtlich günstigerer Schneeverhältnisse, sei es wegen zwingender Gründe, die sich aus der allgemeinen Lage ergeben können. Demgemäß ergeht heute mittags der Befehl „Zwingende Gründe können dazu nötigen, den Angriff vor dem vom 11 AK. in Aussicht genommenen Zeitpunkt anordnen. Für diesen Fall ist alles derart vorzubereiten, dass auf den an einem beliebigen Tage bis 5 Uhr nachmittags eintreffenden Befehl: Operationen beginnen, die Truppenbewegungen tags darauf einsetzen können. AOK rechnet (nach Meldungen) darauf, dass 4 Tage nach Beginn dieses Vormarsches der Infanterieangriff durchgeführt wird. 11.AK hat noch telegraphisch im Dienstwege zu melden, ob es seinen Plan im Sinne der vom AOK dargelegten Anschauung, dass der gleichzeitige Angriff in der ganzen Front zweckmäßig sei, geändert hat; wenn nicht, ist dies zu begründen.“ [Nach Mittagsmeldungen (ich schreibe nur das Wesentlichste): Ein Angriff auf die feindliche Stellung westlich Principi, um unsere Feldwachenlinie in die kürzeste Verbindung zu Werk Lusern und Basso vorzuschieben. Feind räumt die Stellung schon nach unserem Artilleriefeuer. Schneehöhen nehmen ziemlich rasch ab. Im Abschnitt VIII nur mehr in einzelnen Mulden Schnee, auf Folgaria 50 - 98 cm, Lavarone im Maximum 22 cm. Die Nachrichten über bevorstehende Offensive der Italiener und zwar im Rahmen einer allgemeinen Aktion der Entente mehren sich.] Mittags kommt auch ein Telegramm des Heeresgruppenkommandos, das einige in letzter Zeit eingelaufene Kundschaftsnachrichten zusammenstellt, die von einer bevorstehenden italienischen Offensive im Rahmen einer allgemeinen Aktion der Entente sprechen. Daran wird die Bemerkung geknüpft, Dass dies ein ungeahnter Glücksfall wäre, und die Aufgabe der Heeresgruppe sehr erleichtern würde. Das wissen wir auch! Aber sonderlich wahrscheinlich ist die Sache nicht. Ich vermute, Dass diese vermeintliche italienische Offensive in Hinkunft das sein wird, was bisher die Schneeverhältnisse waren; ein Mittel, den Angriff so lange hinauszuschieben, bis er dank der feindlichen Gegenmaßnahmen nicht mehr möglich ist. - Nach den Abendmeldungen nicht viel Neues; die feindliche Artillerie beschoss die Räume hinter unseren neuen Stellungen auf dem Plateau Lafraun, schwieg aber sofort, als unsere Batterien das Feuer aufnahmen. Interessant ist eine einem Gefangenenbrief entnommene Mitteilung, Dass vier neue Regimenter, die jetzt an der Tiroler Front stehen, anfangs April direkt aus Sizilien in die Carnia geschoben wurden. Hughesstreifen und Radioaufmarsch! - Gegen abends besucht mich Zobernig; er sagt mir, Dass die Stimmung im Hinterland wegen der italienischen Sache sehr minder sei; die Leute können sich die Verzögerungen, die man ursprünglich nur dem Wetter zuschrieb, nicht mehr erklären. Auch die Kriegsanleihe stünde nicht besonders. Wir sprechen auch über die Eventualität der Verbreitung falscher Nachrichten im Inneren; finde dies aber doch bei unserer Volkspsyche für zu gefährlich.

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