Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
05.05.1916
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
5.5.1916

Die noch gestern nachts an 11. AK. und Heeresgruppenkommando abgegangene Depesche enthält folgenden Satz: Demgemäß ist festzustellen, wer vom AK. zu dieser Zeit, eventuell auch gelegentlich der Anwesenheit des Generalstabschefs in Bozen, mit dem deutschen Major gesprochen hat. AOK muss aus gewichtigen Gründen höchsten Wert darauf legen, ehestens zu erfahren, von wem diese wenig Zuversicht verratenden Äußerungen ausgegangen sind und ob sie eine beim AK. bestehende Auffassung wiedergeben. Das AK. hat sich in seiner umgehenden telegraphischen zu erstattenden Antwort auch hierüber unzweifelhaft auszusprechen.“ Die Antwort kommt mittags. Sie sagt, dass die Nachforschungen beim AK. ergebnislos blieben. Ein kurzes Gespräch des Generalstabschefs enthält nur Verstellungsphrasen. - Der Angriff der 11. Armee werde wegen der in letzter Zeit eingetroffenen Verstärkungen der Italiener, Vermehrung der Artillerie, intensiver Ausgestaltung mehrerer Stellungen hintereinander mit Hindernissen und Kavernen, insbesonders Kavernenbatterien, wozu noch die Schwierigkeiten treten, welche das Hochgebirge an und für sich bietet, gewiss ein schwerer sein. Allein das AK. hegt die feste Zuversicht, dass alle diese Schwierigkeiten im systematischen Angriff überwunden werden. - In der festen Überzeugung, dass nun endgiltige Klarheit, auch vor der Geschichte, geschaffen werden muss, habe ich schon vorher folgende Anfrage an das Heeresgruppenkommando entworfen: „Durch die dritte und wieder bedeutende Verschiebung des Angriffsbeginnes ist die vom AOK im Zusammenhang mit der Gesamtlage zu beurteilende Frage unserer beabsichtigten Offensive gegen Italien in ein Stadium getreten, in welchem das AOK als Grundlage für seine Entschlüsse volle Klarheit darüber braucht, ob das Heeresgruppenkommando die feste Zuversicht hat, seine Aufgabe ungeachtet der feindlichen Gegenmaßnahmen mit den zugewiesenen Kräften und deren Führer erfolgreich zu lösen. Diese Frage ist noch heute telegraphisch zu beantworten. AOK erwartet hiebei auch offene Aussprache, falls Schwierigkeiten nicht in Schneeverhältnissen allein, die doch zweifellos in rascher Besserung begriffen sind, sondern etwa auch in sonstigen, hier nicht zu übersehenden Umständen erblickt werden sollten. „ - Wird angenommen; gleichzeitig dränge ich zur Klarheit darüber, wer den Chef begleiten soll, falls er hinunter fährt, was für Behelfe vorzubereiten sind u.s.w. Da sich Metzger um die Züge nach Bozen erkundigt, scheint die Reise des Chefs dort ernstlich erwogen zu werden. - 11. AK. wird noch gefragt, welcher Kalkül dafür maßgebend war, gerade den 17. als Zeitpunkt des Angriffsbeginnes zu bestimmen, welche Schneehöhen bei den letzten Rekognoszierungen auf den noch in Betracht kommenden Stellen des Plateaus von Folgaria festgestellt wurden und welche Abnahme dieser Schneehöhen bei anhaltend warmen Wetter kalkuliert ist. Nach Vormittagsmeldungen nicht viel Neues. Zersprengung einer feindlichen Feldwache im Marmolata Gebiet (über die dortigen Kämpfe las ich gestern einen interessanten Bericht), eine geglückte Unternehmung im Rombongebiet (100 Alpini, 2 MG). - Wetter andauernd warm. - Die Meldung des 11. AK., die sicherlich in der Kriegsgeschichte als einzige dasteht, lautet: „Schneehöhen auf Folgaria 60 - 110 cm; Feindesseite wegen größerer absoluter Höhe Schnee anscheinend noch mächtiger. Schneerückgang täglich 5 - 10 cm. Das Mittel im Schneerückgang mit 7.5 cm gerechnet, ergibt in 12 Tagen eigenerseits maximale Schneehöhe von 20 cm, bei welcher eine Vorrückung möglich ist. Auf Grund dieses Kalküls, dann in Berücksichtigung von Vollmond und Ende der Eismänner (!!! sic!!!) wurde - kein Wetterrückschlag vorausgesetzt - der 17. Mai für den Angriffsbeginn festgesetzt. (Ich schreibe dazu: Eismänner 12.- 14., Vollmond 17. Mai), und einen Führer, der so etwas meldet, jagt man nicht auf der Stelle weg? Metzger ist außertourlich Feldmarschallleutnant geworden; Conrad gratuliert ihm sehr herzlich dazu, und sagt, dies sei ein Freudentag für ihn, weil das schon lange Angestrebte endlich in Erfüllung gegangen sei. – Abends, das heißt bis in den nächsten Morgen, Ernennungschampagnerfeier. Ich muss aber noch vor Mitternacht aufbrechen, weil die Antwort des Heeresgruppenkommandos kommt. Dieses teilt die vom 11 AK. ausgesprochene Zuversicht, die auch - wie sich der Erzherzog bei seinen Besichtigungen bei der 11. Armee heute überzeugen konnte - bei den Truppen und allen ihren Führern herrscht. Die Schwierigkeiten des Angriffes liegen, wie schon vom 11.AK. dargelegt wurde, nicht allein in den Schneeverhältnissen. Hingegen liegen die gegen einen früheren Angriffsbeginn sprechenden Beweggründe nur in den Schneeverhältnissen. Die im gleichen Sinn lautende Beurteilung der jetzigen Schneeverhältnisse und ihres Einflusses bei einem etwaigen sofortigen Angriff, der nach übereinstimmender Ansicht unmittelbar stecken bliebe, habe ich heute wieder bei allen gebirgsgewohnten und ortskundigen Kommandanten im Bereich des XX.Korps feststellen können. Erzherzog Eugen.

Nach den Abendmeldungen keine besonderen Ereignisse. Nur geringes Artilleriefeuer. - Wetter in Tirol trüb, im Abschnitt der 11. Armee zeitweise Regen. Nach Aussagen von Überläufern ist die Anwesenheit der (bereits im Angriffsraum angenommenen) Brigade Novara im Terragnolotal, also an der Front, wahrscheinlich. Unser Angriff wird erwartet und daher Tag und Nacht an Stellungen und Kavernen gearbeitet. Gegen Serrada sollen keine Minenarbeiten im Zuge sein.

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