Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
09.06.1916
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
9.6.1916

Conrad schrieb am 7.6. einiges über die Lage: „Trachten, die Lage an der russischen Front mit den dort verfügbaren Kräften derart zu festigen, dass die Fortführung der Offensive gegen Italien möglich bliebe. Gelingt dies nicht, ist man gezwungen, stärkere Kräfte aus Tirol auf den nördlichen Schauplatz zu führen und die Offensive gegen Italien einzustellen, so ist schon jetzt klarzulegen, welche Linie man in Italien im Gebiet des jetzigen Vorstoßes halten will. Sie muss möglichst kurz sein, im Terrain stark sein, sich zweckmäßig rechts und links der allgemeinen Verteidigungslinie anschließen. (Vielleicht Castelloni di S.Marco. - M.Baldo oder Meletta - Assaschlucht, P.Corbin, Casa Ratti, Priaforà, Pasubio, Zugna Torta - Etsch). 58 - 61 km Ausdehnung. Heeresgruppe hätte sich hierüber auszusprechen. Wenn Wahl getroffen, die Linie sofort befestigen. Notwendige Gewehr- und Geschützzahl zur Verteidigung feststellen. Reserven auf den Plateaus. Von den hiernach frei werdenden Truppen feststellen, wieviel an die Isonzofront rückgestellt werden müssen, wieviel daher für den Abtransport nach Norden verfügbar bleiben. Wann die für den Isonzo noch erforderlichen Kräfte aus Tirol verschoben würden, hängt vom Verhalten der Italiener ab. Für Rochade ist unbelästigte Benützung der Pustertalbahn wichtig; daher LVK anweisen, ob der Beschießung nicht Einhalt getan werden kann. Frei werdende schwere Artillerie dann ehestens der Isonzofront, dem Lana-Abschnitt, eventuell Tarviser Abschnitt, sowie der russischen Front zuführen. Daher besonders schon jetzt die Verteilung der schweren Artillerie feststellen. Alle diese Arbeiten selbstverständlich nur vorbereitender Natur; denn soweit als möglich ist an der Fortführung der Aktion gegen Italien festzuhalten; nur wenn sie in ihrem Einflußssauf die Gesamtlage aussichtslos erscheint oder wenn die missliche Lage am russischen Schauplatz dazu drängt, müsste von ihrer Fortsetzung abgesehen werden." - Nun, das wird hoffentlich nicht geschehen; denn einen größeren strategischen Fehler, als einen in etwa einer Woche sicheren Erfolg aufzugeben, könnte man nicht begehen; zumal alle diese Bewegungen, die hier berührt sind, natürlich wieder Monate dauern… - Gegen Mittag spreche ich Kundmann und entnehme seinen Äußerungen, dass der Chef schon sehr schwankend geworden ist; auch Kundmann geht es unten zu langsam, worin er natürlich von gewissen Strategen im zweiten Stock bestärkt wird. Mittags spricht Metzger mit mir ernst über die Lage. Er sagt mir, Falkenhayn habe Conrad mit einem Trommelfeuer von Vorwürfen überhäuft, die alle darin gipfeln, Conrad habe eine Offensivoperation begonnen, ohne für das vertragsgemäße Halten seines russischen Frontteiles ausreichend gesorgt zu haben. Falkenhayn erwartet nach wie vor die Entscheidung bei Verdun und will daher für Galizien keine deutschen Truppen hergeben; wir mögen uns da selber helfen und unsere Offensive gegen Italien, die übrigens ohnedies nicht weiterkomme, aufgeben. Metzger erwartet nun täglich ein in diesem Sinn gehaltenes Telegramm Falkenhayns, ist aber entschlossen, den Chef zumindest bis zum 12., an welchem Tag unser Großangriff beginnen soll, hinzuziehen. Die 61.ITD läuft nun bis 13., also von diesem Tag an erst kann der Schrei nach weiteren Truppenzuschüben um zu stopfen, laut werden. Ich denke nun vor allem daran, hiefür mit kleinen Reserven der 5. und 10. Armee, sowie des LVK auszuhelfen, die dann entweder an der russischen Front oder aber zur Stärkung der Heeresgruppe verwendet werden können. Metzger stimmt mir vollkommen bei, wenn ich darum bitte, bis zu diesem Zeitpunkt des Angriffsbeginnes die Heeresgruppe nicht durch irgendwelche Befehle über eine eventuell zu haltende Linie oder gar durch Anordnung von Rückmärschen in ihrem Schwung zu lähmen. Ich verschweige auch nicht, dass es dringend geboten ist, allen Miesmachern bei uns gründlich das Maul zu stopfen. - Für den Abendrapport schreibe ich eine kurze Skizze über die „Lage am 9.Juni", die ich unter meinen Kopien aufbewahre. Auch lege ich einen Befehl über die Bereitstellung kleiner Reserven bei 5., 10. Armee und LVK. vor, der auch vielleicht die Wogen ein bisschen glätten wird. Metzger sagt mir, Falkenhayn habe nun das Ergebnis der gestrigen Besprechung in einem Telegramm niedergelegt, das etwa folgendes besagt: Er sehe ein, dass jetzt - vor der Erreichung des Randes der Hochflächen von Arsiero - Asiago - nicht mehr als eine Division abgegeben werden kann, er rechne aber darauf, dass später, wenn es die Lage erfordert, die notwendigen Kräfte (nach seiner Schätzung weitere 2 ½ Divisionen) rollen würden. Metzger scheint mir entschlossen zu sein, den Angriff auslaufen zu lassen; und alle meine Bemühungen gelten diesem einen Ziel. - Übrigens habe ich den Eindruck, dass die Krise im Grunde überwunden ist. Die Abendmeldung der 7. Armee soll nicht schlecht sein und bei der 4. Armee wird Linsingen die Sau schon abstechen.

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