Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
16.06.1916
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
16.6.1916

Heute ein kritischer Tag 1.Ordnung. Linsingen soll heute den Angriff beginnen. Bei uns kommen schon in aller Frühe schlechte Nachrichten. Das I. Korps ist nicht nur mit seinem Angriff nicht durchgedrungen, sondern hat auch den M.Lemerle, anscheinend unter empfindlichen Verlust, preisgegeben. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird heute der Befehl zum Einstellen der Offensive gegeben werden müssen; es ist aber sehr fraglich, ob die 3.Armee, ja ob die ganze Heeresgruppe in nächster Zeit überhaupt zur Abgabe von Kräften befähigt ist. - Vormittags ruft mich Metzger, um mit mir die Einstellung der Offensive zu besprechen. Heute ist unter den eingetretenen Verhältnissen der letzte Termin für den Befehl; ich kann nur beistimmen und mache den Befehl für den Mittagsrapport. Erschwerend ist es, dass Exzellenz Krauss heute zur 3. Armee nach Trient und dann weiter zum I. Korps gefahren ist. Der Befehl lautet. „Durch Lage auf russischem Kriegsschauplatz bedingte Vereinbarungen mit Deutscher Obersten Heeresleitung erfordern Abtransport von 2 weiteren ITD (darunter nicht die 9., 10. und 43.) und schwerer Artillerie der Heeresgruppe. Aus diesem Grunde und weil auch keine Aussicht mehr besteht, dass sich die vom HGK mit telegrafischem Bericht vom --- ausgesprochenen Hoffnungen erfüllen können, sieht sich das AOK., das mit seinem Zuwarten bis an die äußerste Zeitgrenze gegangen ist, gezwungen, das Einstellen der Offensive der Heeresgruppe anzuordnen. HGK. hat die für die Verteidigung gewählte Linie, die herauszulösenden Verbände und den frühestens möglichen Zeitpunkt des Beginnes der Einwaggonierungen zu melden; da die 3. Armee im Kampfe steht und eine Gegenoffensive zu gewärtigen hat, hält das AOK. dafür, dass die abzugebenden Kräfte der 11. Armee zu entnehmen wären." Dieser Befehl geht nachmittags 6 Uhr ab. (Nachmittag kommt allerhöchste Entschließung wegen Enthebung Dankl - Pichler, Ernennung Rohr - Soós. Scotti wird die 10. Armee provisorisch führen. - Vom Heeresgruppenkommando kommt, als unser Befehl noch chiffriert wird, eine Meldung, die darin gipfelt, dass man die 11. Armee nicht mehr angreifen lässt, dagegen Kräfte von ihr zur 3. verschiebt und diese auch durch Reserven stützt, immer noch in der Absicht, hier den Durchbruch zu erzwingen. Ich schreibe - für die Geschichte - auf dieses Telegramm: Diese Maßnahme hätte früher getroffen werden müssen. An Mahnungen des AOK. hat es nicht gefehlt. Jetzt durch die Ereignisse überholt. - Abendmeldung macht keinen ungünstigen Eindruck: Beim I.Korps harte Kämpfe, der Hauptsache nach um den M. Lemerle. An der Front des III. mehrere, darunter auch starke Angriffe unter großen Verlusten des Feindes abgewiesen. Nur bei der am Nordflügel des Korps stehenden 2.Geb.Brig. ein Einbruch („Durchbruch"), gegen den aber ein Gegenangriff im Zuge ist. - Abends beim Rapport bemerkt Metzger sehr richtig, es sei eine Kriegserfahrung: Wenn jemand etwas durch längere Zeit nicht trifft und es kommt dann endlich der Befehl zum Abbruch, so würde er es sicher - morgen getroffen haben… Auch eine Kriegserfahrung. - Stimmung bereits hier wesentlich gebessert. Linsingen hat Angriff begonnen und kommt vorwärts.

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