Auf den Spuren der Wahrheit

Tagebucheintrag vom
24.07.1916
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Kaiser
Tagebucheintrag von
Karl Schneller
Erklärung
24.7.1916

Vormittags Meldung bei Exzellenz Krauss, Gespräch mit Seiller und Salis. Die beiden letzteren sagen mir, Schuld an den Ereignissen im Fleimstalabschnitt sei der Winterschlaf! Obwohl man auf die feindliche Verschiebung aufmerksam gemacht hatte. Ich betone, dass dies nicht genüge, sondern dass immer um die Gegenmaßnahmen gefragt werden müsse; Seiller arbeitet an einer Zusammenstellung der Kräfte Verhältnisse, hauptsächlich zu dem Zweck, um festzustellen, wo noch Reserven herausgezogen werden können. Krauss sagt mir, unser Hauptfehler in diesem Krieg sei, dass unser General keine Reserven hat. Was die Verteidigung betrifft, kann ich dies nur bestätigen; hoffentlich gelingt es jetzt, Reserven herauszubekommen. Man muss es eben befehlen. Sonst in Gespräch mit Exzellenz Krauss nichts von Bedeutung; dass ihm und allen in Bozen meine Reise nicht angenehm ist, bedarf keiner Erklärung. Bekomme aber ein Auto zu meiner Verfügung; und entschließe mich, zuerst den Fleimstalabschnitt zu besuchen, da hier eine Fortsetzung der italienischen Aktion zu erwarten ist und ich auch über die dortige Führung und ihre Maßnahmen ins Klare kommen möchte. - 130 Meldung bei Erzherzog, der fast eine halbe Stunde mit mir spricht und so viel zu fragen hat, dass ich oft mit der Antwort in Verlegenheit komme. Betone überall Notwendigkeit, Reserven herauszuziehen, dann auch ernste Gesamtlage, ohne jedoch Panik zu machen. Bei Diner jener Konflikt der den militärischen Operationen so gar nicht förderlich ist... Überhaupt unsere höheren Kommandos! Jeder in seiner Klause, wie etwa im Kriegsministerium, weit, weit weg von allem lebendigen Geschehen. - Nachmittags Fahrt nach Predazzo, dort an 5h. 57. ITD wird in diesem Abschnitt eingesetzt; Goiginger kommandiert jetzt von P.di Cece bis C.di Bocche. Das Regiment 102 wurde, wie ich schon bei der Heeresgruppe erfuhr, in die Sugana dirigiert. Die dortige Front hat eine merkwürdige Anziehungskraft! Dafür kommt die ganze 57. hieher; es fehlen nur mehr 2 Bataillone. Der Abschnitt war anscheinend in keiner besonderen Verfassung. Stellungen im Allgemeinen wenig, die vordere, erst vor einigen Wochen bezogene fast gar nicht ausgebaut, wenig Hindernisse. Das soll nun alles in der Eile nachgeholt werden. Eindruck: Winterschlaf - bis in den Sommer hinein. Namentlich General Spielvogel - der angeblich nicht einmal seine Abschnittsgrenze wusste! Colbricon wurde durch die 23er Jäger verloren (Siebenbürger!). Wir haben aber noch den kleinen Colbricon. Auch eine der Ceremanaspitzen ist, wie erst durch die ablösende Truppe festgestellt wurde, in feindlichem Besitz. in der kommenden Nacht soll an beiden Punkten Ordnung gemacht werden; wie mir scheint, etwas mit Gasdampf. So zum Beispiel hat eine Gebirgshalbbatterie die ganze Nacht bis 3 Uhr früh zu marschieren, um bei einem Angriff auf den Colbricon noch mitwirken zu können. Gegen Abend Fahrt bis Bellamonte, wo Goiginger mit einigen Unterkommandanten zusammentrifft. Mein Eindruck: Es wird viel geschwätzt, weniger geführt. Das ist augenscheinlich schon einmal unsere Methode. Aber: Die Kommandanten, auch Brigadier sind alle vorne, wenigstens die neu angekommenen. Terboglav ist hier als Artilleriebrigadier zugewiesen. Schimpft sehr über Mangel an Offizieren, ausgeschossene Geschütze (ein Mörser hat 7° mit der Streuung und er will ihn trotz meines Rates nicht abschieben!). - Die Ungenauigkeit und Verschwommenheit der Befehle erstreckt sich auch auf die Artillerie. Doch schon genug von diesen Einzelheiten. Will nur noch vermerken, dass ich in Bozen einiges über örtliche Unternehmungen hörte, die aber alle weit über das Örtliche hinausgehen und ganze Offensiven darstellen (Stilfser Joch, Brentonico, Kreuzberg, ja sogar das ganze Primör und Cortina; kurz alles von den Italienern besetzte Gebiet ist in dieses Kalkül gezogen, das aber einer realen Unterlage ganz zu entbehren scheint. - Abends Gespräch mit Goiginger und Korzer bei Tisch über italienische und russische Ereignisse. Man ist überall der Ansicht, dass die italienische Offensive hätte unterbleiben sollen, hält sie für die einzige Schuld an dem russischen Missgeschick, gibt aber zu (namentlich Major Kuttig), dass Dankl ganz miserabel operiert hat; über dem Ordnen der Verbände wurde der Erfolg im Kampf versäumt.

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